Verhaltenstherapie
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Übersicht

Einführung

Therapeut-Patient-Beziehung

Verhaltensanalyse

Therapiestrategien und Einzelverfahren

Wirksamkeit

Kritik an der Verhaltenstherapie

 

Einführung

Die Verhaltenstherapie (VT) ist unter den vielen Psychotherapierichtungen diejenige, die ihre Prinzipien und Verfahren auf den Erkenntnissen der wissenschaftlichen Psychologie aufzubauen versucht. Obwohl klassisch-verhaltenstherapeutische Techniken bereits in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch John Watson und Mary Jones beschrieben worden sind, entstand die Verhaltenstherapie erst Ende der 50er Jahre - und in scharfer Ablehnung der Psychoanalyse und ähnlicher Therapien. In ihrer Gründungs- und Etablierungsphase wurden in der Verhaltenstherapie v.a. auf der Basis der behavioristischen Lerntheorien Techniken wie z.B. die systematische Desensibilisierung, Trainings Sozialer Kompetenzen (Social Skills-Trainings) und die Token-Ökonomie entwickelt. Diese Verfahren erzielten bei psychischen Störungen bis dahin ungesehene Erfolge. Die systematische Desensibilisierung und andere Konfrontationstechniken stellen bis heute hoch effektive Behandlungsmethoden für Phobien dar. Auf operanter Konditionierung beruhende Methoden wie die Token-Ökonomie wurden erfolgreich in Fällen von Schizophrenie eingesetzt, einer Krankheit, bei der andere Therapiearten regelmäßig versagten und die sie als untherapierbar eingestuft wurde.

In den 70er Jahren führte die sogenannte Kognitive Wende (siehe Geschichte der Psychologie) zur Entwicklung sogenannter kognitiver Therapieverfahren, wie z.B. der kognitiven Therapie von Aaron T. Beck, des Streßmanagements von Donald Meichenbaum und des Problemlösetrainings von D`Zurilla & Goldfried. Die Verhaltenstherapie zeigte damals eine ihrer größten Stärken, indem sie fähig und bereit war, diese Verfahren nach und nach in ihren Therapiekanon aufzunehmen und mit den älteren Methoden zu verbinden.

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Die Therapeut-Patient-Beziehung: Grundlage für die Therapie

Eine unter Laien häufige Kritik an der Verhaltenstherapie lautet, daß sie die kaltherzige, gefühllose Anwendung von Techniken auf Menschen sei. Dies ist ein Irrtum, der nicht selten durch eine Irreführung von Seiten der Befürworter anderer Therapierichtungen herbeigeführt wird. Denn sowohl in anderen Psychotherapien als auch in der Verhaltenstherapie gilt eine vertrauensvolle und tragfähige Therapeut-Patient-Beziehung als Grundlage für den Therapieerfolg. Zu einer solchen Beziehung kann es nur kommen, wenn der Therapeut über Eigenschaften und Verhaltensweisen wie z.B. Echtheit, Empathie, Warmherzigkeit und uneingeschränktes Akzeptieren verfügt. Die Bedeutung dieser “therapeutischen Basisvariablen” wird also nicht nur in anderen Psychotherapierichtungen anerkannt, sondern auch in der Verhaltenstherapie. Der Unterschied zwischen der VT und einigen anderen Therapierichtungen besteht aber u.a. darin, daß die VT nicht nur diese Eigenschaften und Verhaltensweisen vom Therapeuten fordert, sondern darüber hinausgehend auch noch umfassende Kenntnisse in richtliniengebenden Therapiestrategien, konkreten Einzeltechniken und auch in den zugrundelegenden Theorien, auf denen die einzelnen Verfahren der VT beruhen oder auf die sie sich zumindest stützen. Bevor allerdings verhaltenstherapeutische Methoden zum Einsatz kommen, werden in einer Verhaltenstherapie die Probleme des Patienten und ihre Bedingungen sowie Konsequenzen in der sogenannten Verhaltensanalyse erfaßt.

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Verhaltensanalyse: Ausgangspunkt der Therapie

Bevor in der Therapie auf die Probleme und Schwierigkeiten des Patienten eingegangen werden kann, wird in der Verhaltensanalyse ermittelt,

  • welche Probleme und Schwierigkeiten genau vorliegen ( präzise Beschreibung der Probleme),
  • was sie aufrechterhält, verstärkt, abschwächt (Bedingungen der Probleme),
  • welche Bedeutung evtl. körperliche Krankheiten und die Einnahme von Drogen, Medikamenten, Alkohol, Nikotin auf die Probleme hat (Organismus-Variablen),
  • welche Versuche der Patient gemacht hat, um die Probleme selbst zu bewältigen (Selbstkontrollversuche) und
  • wie die Probleme entstanden sind (Genese der Probleme).

Diese Informationen werden zu einem hypothetischem Bedingungsmodell zusammengetragen, das die vermuteten Zusammenhänge zwischen den Problemen und Schwierigkeiten, ihren Bedingungen und ihren Konsequenzen enthält. Das hypothetische Bedingungsmodell basiert oft auf dem von Kanfer und Saslow entwickelten S-O-R-C-K-Schema:

  • S: situative Bedingungen, Reize
    • a: Umweltreize, Verhaltenkonsequenzen
    • b: Gedanken, Gefühle, Erinnerunge, Ziele, Wünsche
    • g: Körperprozesse: z.B. Hormonspiegel, Hunger,  Durst, Medikamenten- oder Drogeneinflüsse.
  • O: körperlicher Zustand (z.B. Gesundheitszustand, körperliche Krankheiten, Drogen- und Medikamentenmißbrauch)
  • R: Verhalten
    • a (motorisch): Grob-, Feinmotorik, Mimik, Gestik, Sprechverhalten
    • b (subjektiv): Gedanken, Gefühle, Erwartungen, Attributionen, Selbstinstruktionen
    • g (körperlich): körperliche Prozesse
    • Verhaltensexzeß, Verhaltensdefizit, Fehlregulation
  • C: Konsequenzen (positiv, negativ, neutral)
  • K : Kontingenzen (Zusammenhänge zwischen S-O-R-C: klassische Konditionierung? operante Konditionierung? Modelllernen?)

Anschließend wird mit dem Patienten besprochen, ob und wie er sich seine Probleme erklären kann und welche Erwartungen er gegenüber der Therapie und dem Therapeuten hat (Health Belief Model).

Globales Ziel der Verhaltenstherapie ist es, den Patienten zur Selbsthilfe anzuleiten, ihn quasi zu seinem eigenen Therapeuten zu machen. Welche anderen, konkreten Ziele verfolgt werden, wird in der sich an die Verhaltensanalyse i.e.S. anschließenden Motivations- und Zielanalyse ermittelt. In ihr werden

  • die Lebensbedingungen (z.B: Unter welchen sozialen, emotionalen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lebt der Patient? Welche Bedeutung haben seine Probleme für sein Leben? Welche Folgen hätte eine Therapie für ihn?) und
  • die Motivation (z.B. Motivationsschwierigkeiten wie Angst vor Veränderung, sekundärer Krankheitsgewinn, Kompetenzdefizite oder motivationsfördernde Aspekte wie Leidensdruck, intrinsische Motivation, Belohnungen nach einer erfolgreichen Therapie wie z.B. Aussicht, den Führerschein wieder zu erlangen bei Suchttherapie bei einem Alkoholabhängigen)

besprochen, bevor die Ziele der Therapie konkretisiert und festgelegt werden. Aufgrund dieser Hintergrundinformationen und der Therapieziele wählt der Verhaltenstherapeut in Absprache mit dem Patienten die verhaltenstherapeutischen Methoden aus, die in der Therapie zum Einsatz kommen. So soll sichergestellt werden, daß die für den Patienten und seine Situation geeignetsten Therapiemethoden zum Einsatz kommen und die Therapie erfolgreich verläuft.

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Therapiestrategien und Einzelverfahren: Rahmenbedingungen und Hilfsmittel der Therapie

Die Verhaltenstherapie ist keine einheitliche Therapiemethode, die nur wenige Techniken anwendet, sondern ein Konglomerat verschiedener Therapiestrategien und Einzelverfahren, die ursprünglich aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven heraus entwickelt worden sind. Klassisch-verhaltenstherapeutische Verfahren wie die Konfrontationstherapie (Exposition: Flooding, Systematische Desensibilisierung) beruhten z.B. auf den klassischen Lerntheorien, wie sie im Behaviorismus zu finden sind. Neuere Ansätze entstammen der Zeit der Kognitiven Wende und basieren daher auf Theorien der Informationsverarbeitung. Die Kognitive Therapie nach Beck ist ein Beispiel dafür, aber sie ist auch ein Beispiel für die in den letzten Jahrzehnten stattgefundene gegenseitige Bereicherung und Integration von Verfahren unterschiedlicher theoretischer Fundierung. Der Wandel und die Dynamik der Verhaltenstherapie als Kennzeichen einer lebendigen und sich entwickelnden Therapieform kann ebenfalls an der Beckschen Therapie deutlich gemacht werden. Während sich Beck nämlich in der Erstauflage seiner “Kognitiven Therapie der Depression” noch von der Verhaltenstherapie abgegrenzt und seinem Verfahren eine Eigenständigkeit zugesprochen hat, änderte er in späteren Auflagen seinen Standpunkt und bezeichnete seine Therapie selbst als kognitive Verhaltenstherapie der Depression, der Name, unter dem diese Therapie von Martin Hautzinger in Deutschland bekannt gemacht wurde.

Die Existenz und Bedeutung der VT-Techniken spiegelt sich in ihrer Zusammenfassung in Therapiehandbüchern wieder. Leider werden die Handbücher von manchen als Beleg für die Richtigkeit einer bestimmten Kritik an der VT aufgefaßt: Es werde nicht individuell therapiert, sondern nach Handbuch. Diese Kritik beruht jedoch auf einem grundlegenden Mißverständnis. Therapiehandbücher (Manuale) stellen keine Befehlslisten dar, wie bestimmte Gruppen von Patienten behandelt werden müssen, sondern beschreiben diejenigen therapeutischen Verfahren, die sich bei bestimmten Störungen als wirksam erwiesen haben. Damit ist nicht gemeint, daß diese Verfahren bei einem konkreten Patienten angewendet werden sollen, oder gar, auf welche Weise dies geschehen soll. Die Auswahl der Therapietechniken und die Gestaltung ihrer Anwendung im konkreten Fall findet in der Verhaltenstherapie flexibel im Hinblick auf die individuelle Situation eines bestimmten Patienten statt. Die Individualität kann aber auch nur in der konkreten Therapie berücksichtigt werden und nicht schon im Handbuch  vorweggegriffen werden, so daß sich über die Anpassung der Techniken auf den konkreten Fall (wohl aber auf Gruppen!) auch nichts im Handbuch finden wird. Stattdessen ist die Auswahl der Therapiestrategie und -taktik für den Einzelfall eine Leistung, die der Therapeut zusammen mit dem Patienten erbringen muß. Dabei sollen Therapiemanuale helfen, indem sie z.B. Vorschläge machen oder vor Irrwegen warnen, nicht aber, indem sie Vorschriften liefern, an der sich Therapeuten sklavisch halten müssen. Die Therapiestrategien und Einzel- verfahren stellen im Gegensatz zu dem oben genannten krassen Mißverständnis oftmals nur Rahmenbedingungen dar, die Therapeuten gemäß den Anforderungen und Bedürfnissen der therapeutischen Situation anpassen, z.T. bis zur Unkenntlichkeit. Mit letzterem ist allerdings die Gefahr verbunden, daß die überprüfte Wirksamkeit der Methoden verloren geht. Deshalb stellen Manuale auch eine Möglichkeit dar, um zu überprüfen, ob die von Therapeuten verwendeten Techniken sich innerhalb der Rahmenbedingungen und damit der überprüften Wirksamkeit bewegen.

In der Verhaltenstherapie kann man inzwischen über mehr als 50 unterschiedliche Methoden und Einzelverfahren unterscheiden (Linden & Hautzinger, 2000). Dazu gehören u.a. das Biofeedback, die Einstellungsänderung, EMDR, Entspannungstraining, Exposition, Gedankenstopp, Löschung, die Token-Ökonomie, Selbstverstärkung, Streßimpfung, Systematische Desensibilisierung und Verhaltensverträge. Manche Verfahren wie die Kognitive Umstrukturierung oder die Systematische Desensibilisierung sind besonders kennzeichnend für bestimmte Therapiestrategien in der Verhaltenstherapie, können allerdings auch miteinander kombiniert werden.

Im speziellen werden einige ausgewählte Therapieverfahren vorgestellt:

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Wirksamkeit

Für die Verhaltenstherapie ist kennzeichnend, daß sie durch einen wissenschaftlich-pragmatischen und keinen dogmatischen Charakter gekennzeichnet ist. Sie akzeptiert und integriert Ansätze, die sich unter der strengen wissenschaftlichen Qualitätskontrolle als wirksam und wissenschaftlich begründbar erweisen. Verhaltensthera- peuten streben nach theoretisch begründbaren, transparenten und wirksamen Therapiemethoden. Aus diesem Grund existieren seit ihren Ursprüngen zahlreiche Therapiestudien, welche die Wirksamkeit verhaltenstherapeu- tischer Therapienstrategien und Einzeltechniken belegen (z.B. Grawe und Kollegen, 1994, und Abschnitt Wirksamkeit von Psychotherapie). Dies trug dazu bei, daß sich die VT aus einem Dasein im Schatten der Psychoanalyse zur heute erfolgreichsten aller Therapierichtungen entwickelte und beim Inkrafttreten des Psychotherapiegesetzes 1999 automatisch als eine Therapie anerkannt war, deren Leistungen von den Krankenkassen erstattet werden. Dennoch haben Verhaltenstherapeuten das Angebot des Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie der Bundesregierung (WBP) zur gutachterliche Überprüfung ihrer Therapierichtung angenommen. Dieses Gremium wurde aufgrund des Psychotherapeutengesetz (PsychThG) gebildet, um auf der Basis der wissenschaftlichen Begründbarkeit Empfehlungen über die Zulassung von Psychotherapierichtungen nach dem PsychThG abzugeben. Ein entscheidendes Kriterium für die Zulassung einer Therapierichtung bildet die Wirksamkeit der Therapie in definierten Störungsgruppen. In seinem Gutachten zur Verhaltenstherapie urteilt der Wissenschaftliche Beirat in Fragen der Wirksamkeit:

“7. Wirksamkeit

Bei Erwachsenen kann nach den vom WBP entwickelten Kriterien für den Nachweis der Wirksamkeit von Therapieverfahren für die verschiedenen Anwendungsbereiche von Psychotherapie dieser Nachweis für alle geprüften 11 Anwendungsbereiche mit Ausnahme des Bereiches "Hirnorganische Störungen" festgestellt werden. Für diesen letztgenannten Indikationsbereich wird die Evidenzlage als noch ungenügend beurteilt. Der Wissenschaftliche Beirat hat demnach die wissenschaftliche Anerkennung der Verhaltenstherapie bei Erwachsenen für die folgenden 10 Anwendungsbereiche festgestellt:

Affektive Störungen (F 3)

Angststörungen (F 40-42)

Belastungsstörungen (F 43)

Dissoziative, Konversions- und somatoforme Störungen (F 44, 45, 48)

Essstörungen (F 50)

Andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F 5)

Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F 54)

Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F 6)

Abhängigkeiten und Missbrauch (F 1, F 55)

Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F 2)

Zusammenfassend ist damit nach den Kriterien des Wissenschaftlichen Beirats "Anwendungsbereiche von Psychotherapie bei Erwachsenen" (Deutsches Ärzteblatt 2000, Heft 1-2, A-59 unter Berücksichtigung der Änderung vom 16. 9. 2002, Deutsches Ärzteblatt 2002, Heft 46, A-3132, PP-572) für diese zehn Bereiche die wissenschaftliche Anerkennung festzustellen.

Gegenüber dem Erwachsenenbereich ist die Evidenzsituation für die Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen ungünstiger. Einige der Studien basieren auf kleinen Stichproben, so dass die Generalisierbarkeit der Ergebnisse in einzelnen Anwendungsbereichen eingeschränkt ist. Der Wissenschaftliche Beirat stellt die wissenschaftliche Anerkennung der Verhaltenstherapie bei Kindern und Jugendlichen für die folgenden Anwendungsbereiche fest:

Affektive Störungen (F 30-39) und Belastungsstörungen (F 43)

Angststörungen (F 40-42) und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend

Dissoziative, Konversions- und somatoforme Störungen (F 44-45) und andere neurotische Symptome (F 48)

Essstörungen (F 50) und andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F 54)

Verhaltensstörungen (F 90-92, F 94, F 98) mit Beginn in der Kindheit und Jugend und Ticstörungen (F 95)

Autistische Störungen (F 84)

Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F 60, 62, 68, 69), Störungen der Impulskontrolle (F 63), Störungen der Geschlechtsidentität und Sexualstörungen (F 64-66), Abhängigkeit und Missbrauch (F 1, F 55), Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F 20-F 29)

Zusammenfassend ist damit nach den Kriterien des Wissenschaftlichen Beirats (Deutsches Ärzteblatt 2000, Heft 33, A-2190) für alle sieben geprüften Bereiche bei Kindern und Jugendlichen die wissenschaftliche Anerkennung festzustellen.”

Abschließend kommt der Wissenschaftliche Beirat zu folgendem Urteil:

“10. Abschließende Hinweise

[...]

Der Wissenschaftliche Beirat Psychotherapie stellt zusammenfassend fest, dass die Verhaltenstherapie bei Erwachsenen in allen geprüften Anwendungsbereichen von Psychotherapie außer dem Bereich "Hirnorganische Störungen" als wissenschaftlich anerkannt gelten kann. Bei Kindern und Jugendlichen kann die Verhaltenstherapie für alle sieben geprüften Anwendungsbereiche als wissenschaftlich anerkannt gelten.

Damit liegt die Zahl der wissenschaftlich anerkannten Anwendungsbereiche sowohl für Erwachsene wie für Kinder und Jugendliche deutlich über der Zahl, die vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie für erforderlich gehalten wird, um ein Verfahren für die vertiefte Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten nach dem PsychThG zu empfehlen.

[...].

Köln, den 29. 12. 2003

Prof. Dr. Jürgen Margraf (Vorsitzender)                            Prof. Dr. Sven-Olaf Hoffmann (stellv. Vorsitzender)”

Ein günstigeres Urteil hat der Wissenschaftliche Beirat über keine der von ihm geprüften Therapierichtungen gefällt.

Das vollständige Gutachten zur Verhaltenstherapie können Sie direkt auf der Seite des Wissenschaftlichen Beirats lesen: Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie nach § 11PsychThG zur Verhaltenstherapie

Die Gutachten zur Gesprächspsychotherapie, zur Systemischen Therapie, zur neuropsychologischen Therapie und zum Psychodrama können Sie auf der Seite des Wissenschaftlichen Beirats einsehen: http://www.wbpsychotherapie.de.

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Kritik an der Verhaltenstherapie

An der Verhaltenstherapie ist von mancher Seite grundlegende und schwere Kritik geübt worden. Obwohl diese Kritik aus Sicht von www.verhaltenswissenschaft.de zum Teil auf Mißverständnisse zurückgeht und zum Teil als völlig überzogen betrachtet wird, soll sie an dieser Stelle dennoch kurz dargestellt und kommentiert werden:

Mechanistisches Menschenbild: Kritisch wird der Verhaltenstherapie vorgehalten, ihre therapeutischen Prinzipien beruhten auf einem mechanistischem Menschenbild. Der Verhaltenstherapeut benehme sich wie ein Ingenieur, der auf der Grundlage eines Konstruktionsplans versucht, Probleme von Menschen durch Drehen an Rädchen zu lösen. Dieser Kritik kann entgegengehalten werden, daß Verhaltenstherapie versucht, aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse über den Menschen zu handeln. Eine wissenschaftliche Erforschung des menschlichen Verhaltens und Erlebens hat immer das Ziel, Regelmäßigkeiten im Verhalten zu entdecken und diese Regelmäßigkeiten auf Ursachen zurückzuführen. Das steht jedoch nicht im Widerspruch damit, daß man als Therapeut die Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten anerkennen kann. Auch in anderen Therapieformen gibt es diese Sichtweise. So schreibt z.B. Carl R. Rogers, humanistischer Psychologe und Entwickler der klientenzentrierten Psychotherapie: “ Der Psychologe als Forscher muß den Menschen als Maschine sehen und versuchen, seine Bestimmungsstücke systematisch herauszufinden - das hält ihn nicht davon ab, als Therapeut im Umgang mit den aktuellen Klienten dessen Autonomie und Wissensfreiheit zu akzeptieren.”

Fehlende Ganzheitlichkeit: Der Verhaltenstherapie ist vorgeworfen worden, sie konzentriere sich auf wenige Symptome und verliere daher die Ganzheit des Menschen aus dem Blick. Diese Kritik übersieht, daß in der Verhaltenstherapie im Gegenteil möglichst viele und unterschiedliche Aspekte berücksichtigt werden: Denken, Fühlen, körperliche Prozesse und eventuelle körperliche Krankheiten, beobachtbares Verhalten, vergangene und aktuelle Erfahrungen sowie das soziale Umfeld.

Manipulation: Es wird auch kritisiert, daß die Verhaltenstherapie im Dienste des Staates oder anderer abstrakter Mächte stehe. Sie etikettiere Menschen, die nur ein wenig “anders” seien, als krank und manipuliere ihr Verhalten so, daß sie gefügig werden. Die Manipulation geschehe dazu noch auf eine entwürdigende Weise, weil Menschen in der Psychiatrie wie Ratten in einem Käfig gehalten und durch Belohnung und Bestrafung dressiert würden. Diese Kritik übersieht jedoch, daß die Therapieziele nicht von irgendwelchen abstrakten Mächten wie dem Staat diktiert, sondern gemeinsam mit den Patienten auf der Basis seiner von ihm selbst geäußerten Beschwerden entwickelt werden. Das Handeln des Verhaltenstherapeuten ist außerdem für seine Patienten transparent und nachvollziehbar, weil er sein Vorgehen verständlich zu erklären versucht. Grundsätzlich unterscheidet sich das Störungsmodell der Verhaltenstherapie stark von dem der Medizin, weil es die Veränderbarkeit des Verhaltens betont. Verhaltenstherapeuten versuchen ihren Patienten auch Verfahren zur Selbsthilfe zur Verfügung zu stellen, damit ihre Patienten später ihre eigenen Therapeut werden können.

Massivität / Stärke der Interventionen: Manche Kritiker werfen der Verhaltenstherapie vor, sie verwende zu früh zu massive therapeutische Methoden, anstatt es erst einmal mit “sanfteren” Verfahren zu versuchen. Diesem Einwand kann man entgegenhalten, daß in der Verhaltenstherapie sowohl “sanfte” Verfahren existieren, die sich für den Außenstehenden kaum von einer Gesprächspsychotherapie unterscheiden dürften, als auch Verfahren, bei denen die Belastung für den Patienten hoch ist. Die Entscheidung, welche Verfahren eingesetzt werden, wird von der Art und der Schwere der Störung abhängig gemacht und gemeinsam mit dem Patienten getroffen.

Art der empirischen Daten: Viele theoretische Annahmen verhaltenstherapeutischer Verfahren stütz(t)en sich hauptsächlich auf Ergebnisse aus Tierexperimenten und Untersuchungen an nur wenig gestörten Personen wie z.B. Studierenden mit gering ausgeprägten Verhaltensstörungen. Kritiker bezweifeln die Übertragbarkeit der Untersuchungsbefunde aus diesen Studien auf den Menschen bzw. auf schwerer gestörte Patienten. Demgegenüber ist jedoch anzumerken, daß für manche Fragestellungen Tierexperimente aus ethischen Gründen der einzig gangbare Weg sind, um zu Erkenntnissen zu gelangen. Auch die Untersuchungen an wenig gestörten Personen sind oft der einzige Ausweg aus der humanitären Verpflichtung, schwer kranken Menschen sofort zu helfen und ihnen nicht aus Untersuchungszwecken verschiedene Behandlungsmethoden zuzuweisen, von denen einige wahrscheinlich weniger wirksam oder unwirksam sind. Die Wirksamkeit verhaltenstherapeutischer Maßnahmen für schwere Störungen hat sich dennoch in Therapiestudien eindrucksvoll gezeigt und wird von keiner anderen psychotherapeutischen Methode im selben Ausmaß erreicht.

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