Kognitive Therapien
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Übersicht

Einführung

Rational-emotive Therapie (RET) nach Ellis

Kognitive Therapie nach Beck

Wirksamkeit der kognitiven Therapien

 

Einführung

Die klassische Verhaltenstherapie entstand auf den Grundlagen behavioristischer Lerntheorien. Ab den 60er Jahren wurden die behavioristischen Ansätze jedoch als zu starke Einschränkung für die Erklärung menschlichen Erlebens und Verhaltens angesehen. Mehr und mehr wandte sich die Psychologie solchen Modellen zu, die Informationsverarbeitungsprozesse zur Erklärung einbezogen. Diese Modelle werden als kognitiv bezeichnet (Kognition: menschliche Informationsverarbeitung in Wahrnehmung und Denken). Psychische Prozesse wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Denken und Gedächtnis haben seitdem einen zentralen Stellenwert in der psychologischen Forschung (vgl. Geschichte der Psychologie).

Der Trend zu kognitiven Ansätzen zeigte sich auch in der Psychotherapie. Therapeuten wie Albert Ellis und Aaron T. Beck entwickelten neuartige Therapieverfahren, die auf Theorien über psychische Störungen als Folge unangemessener Informationsverarbeitungsprozesse und Denkmuster beruhen. Während sich die neuen Therapien anfangs von der klassischen Verhaltenstherapie abgrenzten, kam es im Lauf der Entwicklung zu einer immer stärkeren Integration beider Richtungen. Dadurch entwickelte sich die heutige moderne kognitive Verhaltenstherapie, zu der sowohl die klassischen Verfahren wie auch die damals neuen kognitiven Therapien gehören.

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Rational-emotive Therapie (RET) nach Ellis

Die rational-emotive Therapie (RET) von Albert Ellis beruht auf der Grundannahme, daß das Erleben der Realität davon abhängt, wie Menschen Ereignisse wahrnehmen und über sie denken. Insbesondere sind Gefühle dadurch beeinflußt, wie jemand gegenüber seinem Leben, seiner Arbeit, seiner Familie, seinen Freunden usw. eingestellt ist. Zu psychischen Problemen kommt es Ellis zufolge dann, wenn die Bewertung von Ereignissen sehr stark von unangemessenen, “irrationalen” Denkmustern ( irrational beliefs) beeinflußt ist. Wenn die irrationalen Denkmuster zum Beispiel negativ sind und die Wahrnehmung von Ereignissen sehr stark bestimmen, werden Menschen ihr Leben vor allem negativ sehen und negative Gefühle wie Wut, Ärger oder auch Trauer, Resignation und Verzweiflung empfinden. Die negativen Gefühle verstärken wiederum die Tendenz zur irrationalen Denkmustern, so daß ein Teufelskreis entsteht. Dieser Teufelskreis kann die Entwicklung einer psychischen Störung wie z.B. der Depression oder der Generalisierte Angststörung nach sich ziehen. 

Ellis veranschaulicht seine Annahme über die Bedeutung irrationaler Denkmuster anhand des sogenannten ABC-Schemas:

  • A (auslösendes Ereignis, activating event): Ende einer Partnerschaft
  • B (irrationales Denkmuster; irrational belief): “Ich bin nichts wert, sonst hätte mich meine Partnerin nicht verlassen.”
  • C (Konsequenz; consequence): Entwicklung von Niedergeschlagenheit, Trauer, evtl. Depression.

In der rational-emotiven Therapie soll der Patient mit Hilfe des Therapeuten die irrationalen Denkmuster identifizieren. Dies geschieht mit Hilfe eines Dialoges zwischen Patient und Therapeut, in dem beide rational untersuchen, ob die Interpretationen des Patienten angemessen sind oder nicht. Dabei steht nicht von vornherein fest, daß alle Interpretationen unangemessen sind, sondern es wird tatsächlich durch eine genaue Analyse der Interpretationen herausgefunden, ob und wenn ja, welche Interpretationen auf irrationalen Denkmustern beruhen. Diesen Abschnitt der Therapie nennt Ellis Disput (D). Während der Disput-Phase werden Argumentationstechniken verwendet:

  • empirische Bewertung: z.B. “Sind die Fakten wirklich so eindeutig, wie ich annehme?”
  • logische Bewertung: z.B. “Sind meine Schlußfolgerungen wirklich so schlüssig, wie ich meine?”
  • emotionale Bewertung: z.B. “Sind die Gefühle tatsächlich so negativ?”
  • pragmatische Bewertung: z.B. “Nützt mir diese negative Bewertung?”
  • ethische Bewertung: z.B. “Sind meine moralischen Vorstellungen in der Strenge tatsächlich notwendig?”

Außerdem soll der Patient seine Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen im Alltag systematisch beobachten, um den Einfluß von Gedankenmustern auf die Bewertung von Ereignissen und das Entstehen von Gefühlen zu identifizieren.

Das Ziel der rational-emotiven Therapie besteht darin, die identifizierten irrationalen Gedankenmuster durch angemessenere Gedankenmuster zu ersetzen bzw. die vorhandenen Gedankenmuster in angemesserene zu verändern (effect). Diese Bemühungen werden durch praktische verhaltenstherapeutische Übungen begleitet, mit deren Hilfe die gedanklichen Veränderungen schneller voranschreiten und stabiler vorgenommen werden sollen.

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Kognitive Therapie nach Beck

Einführung

Diese kognitive Therapie wurde von dem US-amerikanischen Mediziner und Psychotherapeuten Aaron T. Beck entwickelt und gilt heute - in Kombination mit klassisch-verhaltenstherapeutischen Verfahren - als eine der effektivsten Psychotherapien für eine Reihe psychischer Störungen. Anlaß zur Entwicklung dieser Therapieform war der Wunsch Becks, die von ihm anfangs noch als zutreffend angesehenen psychoanalytischen Ansätze zur Depression auf eine solidere und nachprüfbare Basis zu stellen. Im Laufe der Zeit führte die Arbeit mit Depressiven Beck jedoch dazu, den psychoanalytischen Ansatz aufzugeben - nicht zuletzt aufgrund der nicht eingehaltenen Versprechungen der Psychoanalyse nach effektiver Hilfe, wie Beck schreibt. Er hatte u.a. beobachtet, daß selbst mehrjährige Psychoanalysen von 6 bis 7 Jahren keine positiven Ergebnisse bei der Therapie der Depression gezeigt hatten. Daraufhin formulierte Beck seinen eigenen Ansatz zum Verstehen depressiver Zusammenhänge, der Grundlage seiner Kognitiven Therapie ist. Diese sah er zwar anfangs im Gegensatz zur Verhaltenstherapie stehen, doch im Laufe der Zeit fand eine Integration sowohl kognitiver wie auch verhaltenstherapeutischer Methoden zur heutigen kognitiven Verhaltenstherapie der Depression statt. Außerdem erweiterte Beck seine Theorie und wendete sein Therapieverfahren auch auf andere Störungen wie Agoraphobie und Panikstörung an.

Ziele

Die Kognitive Therapie wurde ursprünglich als Therapie der Depression entwickelt und soll dem Patienten helfen, dysfunktionale, unangemessene Denkprozesse ( Denkfehler und automatische, negative Gedanken, z.B. “Ich bin ein Versager”, “Ich mache nichts richtig”) zu erkennen und zu verändern. Auf diese Weise sollen sowohl die Stimmungslage gehoben als auch Verhaltensweisen so verändert werden, daß sie der Depression entgegenwirken.

Methode

Die Kognitive Therapie nach Beck erfordert gewöhnlich 12 bis 16 Sitzungen und ähnelt der rational-emotiven Therapie von Albert Ellis, ist jedoch mehr auf die spezifischen Denkfehler depressiver Menschen zugeschnitten. Sie beginnt mit einer vollständigen diagnostischen Erhebung der Symptome, auf der die 4 aufeinander aufbauenden Therapiephasen beruhen:

1. Aktivitäten erweitern und Stimmung heben

Die erste Phase enthält wie eine klassische Verhaltenstherapie (VT) ein Aktivitätsprogramm. Zuerst wird ein detaillierter Stundenplan für die kommende Woche ausgearbeitet, der anfangs auf einfache, für den Patienten schwierige Tätigkeiten (z.B. einen Freund anrufen, eine Mahlzeit mit Familienmitgliedern einnehmen) begrenzt sein kann, im Verlauf aber immer anspruchsvollere Tätigkeiten beinhaltet. Auswahlkriterium für die Tätigkeiten ist, daß der Patient die Aufgaben bewältigen kann. Durch diese Aktivität soll sich die Stimmung heben. Obwohl diese Phase dem Aktivitätsprogramm der VT sehr ähnelt, argumentiert Beck, daß die Zunahme von Aktivitäten allein nicht genügt, um die Patienten aus der Depression herauszuführen, sondern daß die von ihm entwickelte Untersuchung und Veränderung der Denkfehler folgen müssen.

2. Automatische Gedanken untersuchen und widerlegen

Wenn die Patienten aus ihrer Inaktivität heraus sind, können sie sich leichter selbst beobachten und über sich nachdenken. Die kognitiven Therapeuten stellen Informationen zu den negativen automatischen Gedanken zur Verfügung und ermuntern zu Übungen: Wenn negative Gedanken auftreten, sollen diese erkannt und aufgezeichnet werden. In den Therapiesitzungen werden die negativen Gedanken kritisch beleuchtet und auf ihre Angemessenheit überprüft. Es wird eine empirische Untersuchung vorgenommen, ob diese Gedanken realistisch sind.

3. Verzerrtes Denken und negative Verzerrungen identifizieren

Nachdem die Patienten ihre negativen Gedanken erkannt haben, klären die Therapeuten sie über die zugrundeliegenden Denkprozesse auf. Bei der Analyse der automatischen, negativen Gedanken und Denkfehler führen die Therapeuten die Patienten auch zu der Erkenntnis, daß ihre Interpretationen von Ereignissen fast alle negativ verzerrt sind. Verschiedene Techniken helfen, sich diese verzerrten Denkmuster bewußt zu machen und sie zu ändern. Häufig werden Reattribuierungstechniken verwendet, bei denen die Patienten die Ursachen für Probleme woanders als bei sich selbst suchen.

4. Grundannahmen ändern

In der Schlußphase sollen die Patienten mit Hilfe der Therapeuten ihre depressionsauslösenden Grundannahmen ändern, d.h. die zentralen Überzeugungen, die ihren negativen Gedanken zugrundeliegen. Negative Einstellungen sollen im Rahmen eines sokratischen Dialogs weiter überprüft und geändert werden. Die Therapeuten erwarten, daß die wiederholten Überprüfungen und Infragestellungen der grundlegenden Einstellungen den Patienten helfen, weniger selbstschädigende Denkweisen zu entwickeln. Auf diese Weise soll der zentrale Kern der Depression aufgelöst werden.

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Wirksamkeit der kognitiven Therapien

Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit der kognitiven Therapie nach Ellis und Beck. Bis 1984 gab es zur rational-emotiven Therapie (RET) 17 Studien mit 713 Patienten, zur kognitiven Therapie nach Beck 16 Studien mit 767 Patienten. Die Behandlungsdauer für diese Studien betrug maximal 12 Sitzungen (RET) bzw. 24 Wochen (Beck). Die Untersuchungen zur RET betrafen Patienten mit unterschiedlichen Problemen (geringe soziale Kompetenz, Depression, Agoraphobie, neurotische und Persönlichkeitsstörungen sowie Schmerzen). Die Wirksamkeit der Therapie nach Beck wurde bis 1984 vorwiegend bei Depressiven untersucht. Die folgende Tabelle zeigt die Befunde aus diesen Studien.

Diesen Ergebnisse zufolge sind beide Therapiearten wirksam. Die Wirksamkeit läßt sich v.a. für die Hauptsymptomatik der behandelten Störungen und die Befindlichkeit feststellen. Die RET schneidet im indirekten Vergleich zur Kognitiven Therapie von Beck allerdings etwas schlechter ab, was vermutlich auf die kürzere Behandlungsdauer und die Unerfahrenheit der Therapeuten in den Studien zur RET zurückzuführen ist.

Die Befunde für die Kognitive Therapie nach Beck können dagegen als hervorragend gelten. Sie werden zudem durch neuere Untersuchungen bestätigt (z.B. Elkin, 1994; Gloagen et al., 1998). Beachtet werden muß, daß sie sich vor allem auf die Behandlung von Patienten mit leichten bis mittelschweren Depressionen beziehen. Bei 50-60% dieser Patienten verschwinden die depressiven Symptome vollständig. Die Studien sprechen auch dafür, daß die Patienten im Verlauf der Therapie ständige Verbesserungen ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit (weniger Pessimismus, mehr positive Veränderungen des Selbstbildes) zeigen und daß diese Verbesserungen eng mit dem Rückgang der depressiven Symptome zusammenhängen.

Literaturempfehlung

Beck, A. T. (1999). Kognitive Therapie der Depression. Weinheim: Beltz. ISBN: 3407220235


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