Geschichte der Psychologie
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Die Psychologie ist eine relativ junge Wissenschaft mit einer recht bewegten Geschichte, in der es immer wieder zu Paradigmenwechseln und der Gründung neuer Schulen kam. Da die Kenntnis dieser Geschichte das Verständnis psychologischer Theorien und Forschungszweige deutlich erhöht, soll an dieser Stelle ein kurzer Abriß der Psychologiegeschichte gegeben werden.

Die Psychologie als Wissenschaft hat sich aus der Philosophie entwickelt. Viele der ersten Psychologie-Professoren an den Universitäten waren von Haus aus Philosophen. Am Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts unterschied man mit Dilthey noch zwischen einer "verstehenden" eher geisteswissenschaftlich und einer "erklärenden" eher naturwissenschaftlich orientierten Psychologie. Durch einen der Gründungsväter des Faches, Wilhelm Wundt, und seine Schüler wurde das Experiment als Erkenntnisquelle in die Psychologie eingeführt, allerdings mit der Untersuchungsmethode der Introspektion (Reflexion des Geistes über sich selbst). Man sprach damals von "Bewußtseinspsychologie", da die Psychologie als die Wissenschaft vom Bewußtsein (des "Geistes") definiert wurde.

In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts begann der Aufstieg des Behaviorismus in der Psychologie, vor allem in den USA. John B. Watson von der Johns Hopkins University in Chicago erklärte in seinem Artikel "Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht" in der Psychological Review: "Psychologie, wie sie der Behaviorist sieht, ist ein vollkommen objektiver, experimenteller Zweig der Naturwissenschaft. Ihr theoretisches Ziel ist die Vorhersage und Kontrolle von Verhalten. Introspektion spielt keine wesentliche Rolle in ihren Methoden, und auch der wissenschaftliche Wert ihrer Daten hängt nicht davon ab, inwieweit sie sich zu einer Interpretation in Bewußtseinsbegriffen eignen." Mit diesem Artikel und weiteren Arbeiten veränderten die Behavioristen (neben Watson u.a. Lashley, Mary Cover Jones, Holt, Hunter, Weiss) schnell die gesamte wissenschaftliche Psychologie in den USA dahingehend, daß die vorher dominierende Introspektionsmethode aufgrund ihrer Unzuverlässigkeit und Subjektivität vollkommen in Mißkredit geriet und nahezu aufgegeben wurde. Die Psychologie wurde als Wissenschaft vom Verhalten neu definiert und die Bedeutung von an Tieren gewonnenen (Klassische Konditionierung; Pawlow sowie physiologischen Erkenntnissen (Neurophysiologie) betont.

In Deutschland spielte der Behaviorismus zuerst keine Rolle, weil die ganzheitlich orientierte psychologische Strömung der Gestaltpsychologie (Köhler, Wertheimer, Bühler, Lewin) einen bedeutenden Einfluß hatte. Durch den Nationalsozialismus wurde die Entwicklung dieser psychologischen Richtung jedoch empfindlich gestört und behindert, viele ihrer Vertreter  emigrierten u.a. in die USA.

In den USA erlebte der Behaviorismus , nachdem sich die Begeisterung für ihn am Anfang der 30er Jahre etwas gelegt hatte, einen erneuten Aufschwung durch die Arbeiten von Clark L. Hull (Yale University) und Burrhus F. Skinner (später Harvard University). Die Erfolge, die behavioristische Forschungsprogramme aufzuweisen hatten (v.a. auf dem Gebiet der operanten Konditionierung), und die desolate Situation der Psychologie im Nachkriegseuropa führten dazu, daß der Behaviorismus in den 50er Jahren eine dominierende Position einnahm - in den USA, im westlich geprägten Europa und auch in West-Deutschland. Damals konnte man davon sprechen, daß die Psychologie fast vollständig naturwissenschaftlich geprägt war. Forschungen, die "geistige Prozesse" zum Gegenstand (Lewin, Festinger, Heider, Bruner, Piaget) hatten, existieren zwar, führten jedoch ein Schattendasein.

Dies änderte sich in den 50er Jahren. Ausgehend von Arbeiten zur Informationstheorie (Shannon), Kybernetik (Wiener) und Datenverarbeitung (von Neumann, Simon, Newell) entwickelte sich das Paradigma des Kognitivismus. Unterstützt durch die technische Revolution des Digitalcomputers erfuhr die Untersuchung "geistiger Prozesse" (u.a. Wissen, Denken, Erkennen, Wahrnehmung) in Begriffen der "Informationsverarbeitung" ("geistige" Inhalte sind u.a. Repräsentationen oder Abbilder von Umweltereignissen) eine Renaissance (man spricht von der "kognitiven Wende"). Dadurch, daß der Digitalcomputer eine Simulationsmöglichkeit für kognitive Modelle zu diesen "geistigen Prozessen" erlaubte, konnte die neue kognitivistische Psychologie die Weihen zur objektiv-empirischen Wissenschaft erhalten, die der alten "Bewußtseinspsychologie" verwehrt geblieben waren. Die von den Behavioristen entwickelte Methodik wurde zwar grundsätzlich beibehalten, aber dadurch daß Bewußtseinsinhalte als Untersuchungsgegenstand wieder hoffähig wurden, wurde die Psychologie als die Wissenschaft vom Verhalten und Erleben erneut redefiniert.

Der Kognitivismus ist in den USA seit den 60er, in Deutschland seit den 70er Jahren zum dominierenden Paradigma aufgestiegen. In den letzten 10 Jahren kam ein weiteres System von Denkweisen hinzu, das auf dem Konstruktivismus (von Foerster, von Glasersfeld, Maturana, Varela) beruht. Dieser ist ganzheitlich orientiert und hat seine Wurzeln u.a. auch im gestaltpsychologischen Ansatz. Menschen konstruieren nach konstruktivistischen Vorstellungen Wissensinhalte in aktivem Austausch mit der Umwelt und in der sozialen Gruppe ( "situated cognition"-Ansatz). Wissen stellt somit weniger eine Repräsentation objektiver Gegebenheiten (wie im Kognitivismus), sondern vielmehr eine aktive und interaktive Konstruktion und damit einen subjektiven Inhalt dar, der nach dem Kriterium der Viabilität bewertet werden kann, d.h. ob derjenige, der dieses subjektive Wissen konstruiert hat, sich damit in seiner Umwelt erfolgreich zurechtfindet. Vor allem in der Pädagogischen Psychologie hat der Konstruktivismus einen sehr großen Einfluß. Einflüsse lassen sich aber auch in der Psychotherapie (systemische Therapie) und in der Arbeits- und Organisationspsychologie (z.B. Theorien des Geführtwerdens) finden.

Neben dem Konstruktivismus hat in den letzten 10 Jahren die Verhaltensbiologie (Ethologie [Lorenz, Tinbergen, Eibl-Eibesfeldt] und Soziobiologie [Wilson, Krebs, Davies, Maynard Smith, Voland]) mit ihrem Einfluß auf die neu entstandene Evolutionspsychologie (z.B. Buss) in der Psychologie an Bedeutung zugenommen, wodurch sich ein weiteres neues und eigenständiges Paradigma innerhalb der Psychologie zu bilden beginnt.

Insgesamt kann man aus der Geschichte der Psychologie erkennen, daß die Psychologie nicht nur von für ihr Alter schnellen Paradigmenwechseln (bis auf die alte "Bewußtseinspsychologie" existieren aber bis heute alle psychologischen Strömungen nebeneinander), sondern auch durch Einflüsse aus verschiedenen Nachbardisziplinen (u.a. Philosophie, Biologie, Physiologie, Computerwissenschaft) geprägt ist. Da zum Verhalten des Menschen als sehr wichtigem Bereich dessen Verhalten in der sozialen Umwelt gehört und dieses Verhalten innerhalb der beschriebenen Paradigmen immer auch untersucht wird, ist die Psychologie auch eine Sozialwissenschaft (v.a. im Bereich der Sozialpsychologie). Ausgehend von der Untersuchung "abnormen" Verhaltens kommen medizinische (psychiatrische, psychopathologische) und psychotherapeutische (tiefenpsychologische, humanistische) Einflüsse in die Psychologie hinein, die weit auf andere psychologische Teildisziplinen ausstrahlen (z.B. tiefenpsychologische Einflüsse auf die Persönlichkeitspsychologie, humanistische Einflüsse auf die Arbeits- und Organisationspsychologie).


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