Übersicht Definition Theorie der natürlichen Selektion und moderne Synthese Klassische Ethologie Verhaltensökologie und Soziobiologie Literaturempfehlungen Definition Die Verhaltensbiologie ist die biologische Wissenschaft des tierischen und auch des menschlichen Verhaltens. Sie versucht das Verhalten mit biologischen Theorien und Methoden zu beschreiben, vorherzusagen und zu erklären. zur ÜbersichtTheorie der natürlichen Selektion und die moderne Synthese Grundlegende Theorie ist die
Theorie der natürlichen Selektion von Charles Darwin. Diese Theorie läßt sich in den folgenden Aussagen kurz zusammenfassen: - Lebewesen unterscheiden sich in ihren Merkmalen (in ihrer Morphologie, Physiologie und in ihrem Verhalten) (Variation).
- Die Variation ist zum Teil erblich: Die Nachkommen haben mehr Ähnlichkeiten mit den Eltern als mit anderen Mitgliedern der Population.
-
Es gibt mehr Nachkommen als fortpflanzungsfähige Tiere (hohe Fortpflanzungskapazität).
- Die zum Überleben notwendigen Ressourcen (Lebensraum, Nahrung, Paarungspartner) sind knapp, so daß die Anzahl der Lebewesen nicht unbegrenzt zunehmen kann, sondern ein Maximum nicht überschreitet. Daher besteht eine Konkurrenz zwischen den Lebewesen ums Überleben.
- Einige Lebeweisen weichen in ihren Merkmalen jedoch so von den anderen Lebewesen ab, daß sie eine höhere Fitness haben,
d.h. daß sie mehr überlebende Nachkommen erzeugen (natürliche Selektion: survival of the fittest).
- Die natürliche Selektion bewirkt eine Anpassung der Lebewesen an ihre Umwelt.
Zu Darwins Zeit waren die genetischen Grundlagen der Vererbung fast vollständig unbekannt. Heute ist bekannt, daß die erblichen Anteile an der Merkmalsvariation zu einem großen Teil durch Gene zustande kommen. Die Kombination aus der Theorie der natürlichen Selektion und der
Genetik wird moderne Synthese genannt: - Alle Organismen haben Gene, die die Herstellung von Proteinen (Eiweiße) kodieren. Proteine regulieren die Entwicklung des Nervensystems, der Muskeln und den Aufbau eines Lebewesens und bestimmen somit auch sein Verhalten.
- Innerhalb einer Population gibt es eine Reihe von Genen in zwei oder drei alternativen Formen (Allele), die jeweils eine etwas unterschiedliche Version desselben
Proteins kodieren. Diese Varianten führen zu Entwicklungsunterschieden und zur Merkmalsvariation innerhalb der Population.
- Die verschiedenen Allele eines Gens konkurrieren um eine bestimmte Position (Locus) auf Chromosomen.
- Jedes Allel, das mehr überlebende Kopien von sich selbst herstellen kann als die anderen Allele, wird letztendlich diese Alternativen in der Population ersetzen. Die natürliche Selektion bezieht sich damit auf der Ebene der Gene auf das
unterschiedlich häufige Überleben alternativer Allele.
Richard Dawkins
sieht deshalb die Lebewesen als Träger der konkurrierenden Allele an. Diejenigen Allele werden sich in der Population durchsetzen, die den Fortpflanzungserfolg ihrer Träger maximieren. Zur Maximierung des Fortpflanzungsverhaltens kann das Verhalten der Lebewesen eine wichtige Rolle spielen. Schon aus diesem Grund ist die Untersuchung des Verhaltens von Lebewesen ein wichtiger Aspekt in der Evolutionsbiologie. zur ÜbersichtKlassische Ethologie Die moderne biologische Erforschung des Verhaltens begann am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie mündete in die Begründung der Klassischen Ethologie durch Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Für ihre Arbeiten zur Erklärung des Verhaltens erhielten diese beiden Forscher zusammen mit Karl von Frisch
1973 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie. Tinbergen zufolge kann man vier mögliche Erklärungsansätze unterscheiden, weshalb sich ein Lebewesen unter evolutionären Bedingungen so verhält, wie es sich verhält: - Erforschung der ultimaten Gründe: Welche Funktion erfüllt das Verhalten zum Überleben des Lebewesens?
- Erforschung der proximaten Gründe: Welche Mechanismen und physiologischen Prozesse führen zum Verhalten?
-
Erforschung der Ontogenese: Wie hat sich das Lebewesen entwickelt, daß es dieses Verhalten zeigt?
- Erforschung der Phylogenese: Wie haben sich die Art, zu der das Lebewesen gehört, entwickelt, daß es dieses Verhalten zeigt?
Eine grundlegende Methode zur Beantwortung dieser Fragen in der Klassischen Ethologie ist es, die interessierenden Verhaltensweisen unter den Umweltbedingungen, unter denen sie auftreten, genau zu beschreiben (Ethogramm
= Verhaltensinventar, Aktionskatalog) und durch Vergleiche der Ethogramme verschiedener, miteinander mehr oder minder verwandter Arten Rückschlüsse auf die Gründe der Verhaltensweisen zu ziehen. Da der Vergleich von Verhaltensweisen eine so bedeutende Rolle in der Klassischen Ethologie spielt, wird sie auch Vergleichende Verhaltensforschung genannt. Neben dem Verhaltensvergleich spielen in der Ethologie auch physiologische Erklärungsmodelle eine wichtige Rolle. In der
Verhaltens- oder Ethophysiologie werden proximate Ursachen des Verhaltens mit physiologischen Methoden erforsch, z.B. die neuronalen (nervlichen) Mechanismen von Instinktbewegungen wie des Flossenschlagens von Fischen. Ethologische Erklärungsprinzipien werden nicht nur auf tierisches, sondern auch auf menschliches Verhalten angewendet. Die Teildisziplin der Klassischen Ethologie, die sich speziell mit menschlichem Verhalten aus ethologischer Sicht beschäftigt, ist die
Humanethologie. Einer ihrer wichtigsten Vertreter ist der Lorenz-Schüler Irenäus Eibl-Eibesfeldt. zur ÜbersichtVerhaltensökologie und Soziobiologie In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstand u.a. aus den Arbeiten von William Hamilton und Edward O. Wilson, ein neuer Zweig der Verhaltensbiologie, die Verhaltensökologie
. In ihr wird das Verhalten von Lebewesen in Abhängigkeit von Kosten- und Nutzenüberlegungen
und ihrem Bezug zu Umweltfaktoren analysiert. Die Grundannahme ist, daß Lebewesen sich evolutionstheoretisch optimal verhalten sollten. Optimalität bedeutet in diesem Zusammenhang, daß Organismen auf bestimmten evolutionär relevanten Dimensionen (z. B. Energie) sich so verhalten, daß ihr Nutzen (z. B. die Energieaufnahme bei der Nahrungssuche) verglichen mit ihren Kosten (z. B. der Energieaufwand bei der Nahrungssuche) maximal wird. Sich optimal verhaltende Organismen sollten einen evolutionären Vorteil haben, da ihre Fitness im Durchschnitt als größer anzunehmen ist als Tiere, die sich suboptimal verhalten.
Die Methoden der Verhaltensökologie umfassen nicht nur Verhaltensvergleiche, sondern auch die experimentelle Überprüfung von mathematisch formulierten Modellen (Optimalitätsmodelle) und auf der Spieltheorie beruhende Simulationsstudien. Typische Themen der Verhaltensökologie sind u.a. - Beutetransport,
- Räuber-Beute-Systeme,
- Ressourcenkonkurrenz und Nahrungssuche (ein Optimalitätsmodell ist z.B. die ideal-freie Verteilung),
- sexuelle Selektion und Fortpflanzungsverhalten,
- Brutpflege,
- Helferverhalten und Altruismus,
- Kommunikation.
Die Betrachtung von sozialen Verhaltensweisen aus verhaltensökologischer Sicht ist dabei der Gegenstandsbereich der Soziobiologie. Diese Teildisziplin versucht auch menschliches Verhalten mit verhaltensökologischen
Modellen zu erklären und wird deshalb von einigen Kritikern als neosozialdarwinistisch bezeichnet. zur Übersicht Literaturempfehlungen Dawkins, R. (1996). Das egoistische Gen. Hamburg: Rowohlt. ISBN: 3499196093 Eibl-Eibesfeldt, I. (2004). Grundriß der Vergleichenden Verhaltensforschung. Ethologie
. München: Piper. ISBN: 3937501029 Eibl-Eibesfeldt, I. (2004). Die Biologie des menschlichen Verhaltens. München: Piper. ISBN: 3937501010Krebs, J. R. & Davies, N. B. (1996). Einführung in die Verhaltensökologie. Blackwell. ISBN: 3826330463 Lorenz, K. (1992). Über tierisches und menschliches Verhalten. Aus dem Werdegang der Verhaltenslehre. Gesammelte Abhandlungen
. 2 Bände. München: Piper. ISBN: 3492103618 zur Übersicht |