Kognitive Bewältigungstrainings
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Übersicht

Einführung

Streßimpfungstraining von Meichenbaum

Ärgermanagement von Novaco

Wirksamkeit von kognitiven Bewältigungstrainings

Literaturempfehlung

 

Einführung: Streß und Bewältigung

Kognitive Bewältigungstrainings wurden im Zuge der sogenannten Kognitiven Wende (siehe Geschichte der Psychologie) in den 70er Jahren entwickelt. Sie zielen vor allem auf Verhalten unter Streß, Ärger, Schmerzen und Angst ab. Die Trainings beruhen auf der Annahme, daß problematisches Verhalten auf unangemessene Einschätzungen von Ereignissen und ihre Bewältigung durch die Patienten zurückzuführen ist. Im Hinblick auf Streßsituationen wird u.a. auf die einflußreiche psychologische Streßtheorie von R. Lazarus Bezug genommen. Ihr zufolge hängt das Verhalten in Streßsituationen davon ab, wie Menschen die Situationen bewerten. Lazarus geht dabei von zwei zentralen Bewertungsprozessen ab:

  1. Bei der Primärbewertung (primary appraisal) schätzt die Person die Situation als günstig, unwichtig oder belastend ein.
  2. In der anschließenden Sekundärbewertung (secondary appraisal) schätzt die Person ein, über welche Möglichkeiten sie verfügt, die Situation zu bewältigen, und ob diese Möglichkeiten vermutlich ausreichen oder nicht ausreichen.

Die Bewältigungsstrategien gruppiert Lazarus in

  • problembezogene Bewältigungsstrategien, durch welche die Person die Umwelt so verändert, daß Streß abgebaut wird,
  • emotionale Bewältigungsstrategien, durch welche die Person zwar nichts an der Situation selbst verändert, sie aber ihre Wahrnehmung oder Bewertung der Situation so modifiziert, daß Streß abgebaut wird. Zu den emotionalen Bewältigungsstrategien zählt zum Beispiel die Verleugnung, daß eine Situation problematisch ist. Lazarus betont, daß Verleugnung durchaus zumindest zeitweise sinnvoll sein kann, nämlich dann, wenn die Streßsituation tatsächlich (zeitweise) unkontrollierbar ist, so daß problembezogene Bewältigungsstrategien nicht erfolgreich sein können.

Dieses hier nur in Ausschnitten beschriebene Streßmodell von Lazarus stellt eine der theoretischen Grundlagen der kognitiven Bewältigungstrainings dar. Das Ziel der Trainings besteht darin, das Muster an Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen zu identifizieren, mit denen die einzelnen Patienten Streß-, Angst-, Schmerz- und Ärgersituationen zu bewältigen versuchen. Anschließend wird versucht, ungünstige Bewältigungsstrategien durch günstigere Strategien zu ersetzen bzw. Bewältigungsstrategien so einzusetzen, daß die Patienten erfolgreicher mit belastenden Situationen umgehen können.

Es wurden verschiedene Arten von kognitiven Bewältigungstrainings entwickelt, die sowohl einzeln als auch in Gruppen durchgeführt werden können. Bei diesen Trainings handelt es sich um Selbstkontrolltrainings, die nicht nur soziale Fertigkeiten berücksichtigen, sondern auch kognitive Aspekte ansprechen, die z.B. bei der Ärgeraufschaukelung eine Rolle spielen. Zu diesen Trainings gehören z.B.:

  • Selbstinstruktionstraining von Meichenbaum,
  • Streßimpfungstraining von Meichenbaum,
  • Bewältigungstraining von Holroyd, Andrasik & Westbrook,
  • Angstmanagement von Suinn & Richardson,
  • Ärgermanagement von Novaco,
  • Schmerzmanagement von Turk.

Im folgenden werden das Streßimpfungstraining von Meichenbaum und das Ärgermanagement von Novaco kurz beschrieben.

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Streßimpfungstraining von Meichenbaum

Am Beispiel des von Donald Meichenbaum entwickelten Streßimpfungstraining (Stress inoculation training) soll der Aufbau und das Prinzip eines Streßmanagements aufgezeigt werden. Das Streßimpfungstraining dient dazu, Menschen zu helfen, Streß hervorrufende Ereignissen zu bewältigen. Die Teilnehmer lernen im Training Bewältigungsstrategien und wenden sie dann in einer Streß auslösenden Situation an. Das Training ist in drei Teile gegliedert:

  1. Informationsphase,
  2. Übungsphase und
  3. Anwendungsphase.

1. Informationsphase: In der ersten Phase erklärt der Therapeut, daß nicht die Ereignisse selbst Streß hervorrufen, sondern die Art, wie die Ereignisse wahrgenommen werden. Den Klienten wird deutlich gemacht, daß sie die Ereignisse anders wahrnehmen und mit ihnen so umgehen können, daß sie weniger Streß auslösen. Dazu wird der Ablauf von Streßsituationen in 5 Schritte unterteilt:

  1. Vorbereitung auf die Streßsituation,
  2. Konfrontation und Umgehen mit der Streßsituation,
  3. Umgehen mit zeitweiligen Schwierigkeiten während der Bewältigung,
  4. Bewertung der Streßbewältigung,
  5. Selbstbelohnung bei gelungener Bewältigung.

2. Übungsphase:  In dieser Phase lernt und übt der Klient Bewältigungsstrategien und ihren sinnvollen Einsatz. Auch wenn die zu lernenden Strategien von dem Problem des einzelnen Klienten abhängen, so werden doch häufig 4 allgemeine Strategien geübt:

  1. Entspannung,
  2. kognitives Umstrukturieren (Veränderung der typischen Gedanken über Streßsituationen),
  3. problemlösende Selbstinstruktionen und
  4. selbstbelohnende Selbstinstruktionen.

Neben diesen werden dann häufig weitere problemspezifische Bewältigungsstrategien geübt.

3. Anwendungsphase: In der Anwendungsphase werden die Klienten mit potentiell Streß auslösenden Situationen konfrontiert. Zuerst geschieht dies in der Therapiesitzung über Vorstellungsübungen und Rollenspiele, dann als Übungen in realen Situationen. Bei den Übungen werden drei grundlegende Prinzipien beachtet:

  1. Frühzeitiges Erkennen, wo die Streßsituation und individuelle Streßreaktionen beginnen. Als externe Auslöser können z.B. Personen, Worte, Orte und Gerüche in Frage kommen. Interne Auslöser sind z.B. Herzfrequenz, Schwitzen und andere körpereigene Reaktionen. Der Zweck des frühzeitigen Erkennens ist die frühzeitige Intervention. Zu den frühzeitigen Reaktionen gehören typische Gedanken (z.B. Katastrophendenken), motorische Unruhe und vegetativ-physiologische Reaktionen z.B. im Bereich von Magen und Darm.
  2. Frühzeitiges Unterbrechen der ungünstigen Streßreaktionen und Aktivierung von Alternativen: Der Patient lernt, nicht daran zu denken, was alles Schreckliches passieren könnte, sondern was er tun kann, um die Situation zu bewältigen.
  3. Direkte Konfrontation mit den streßauslösenden Reizen: Der Patient setzt sich aktiv unter Verwendung angemessener Bewältigungsstrategien mit der Streßsituation auseinander.

Zur Rückfallprävention werden Vorschläge gemacht, wie die Patienten mit Mißerfolgen in realen Situationen umgehen können, z.B. diese Mißerfolge als Lernerfahrungen zu interpretieren oder in den Therapiesitzungen diese Situationen (erneut) zu üben.

Das Streßimpfungstraining von Meichenbaum kann in vielen Bereichen angewendet werden. Oft geschieht dies in Bezug auf Angst, Ärger und Schmerz. Es kann als Einzel- oder Gruppentraining durchgeführt werden. Obwohl das Training meistens mit Erwachsenen durchgeführt wird, gibt es auch Anwendungen bei Kindern. Viele Studien zeigen die Wirksamkeit des Streßimpfungstrainings. In einigen wurde untersucht, welche Stufe des Trainings den größten Beitrag zur Wirksamkeit liefert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß die Stufe des Erwerbs von Bewältigungsstrategien den größten Effekt hatte.

Nicht angezeigt ist ein solches Training jedoch bei

  • Wahrnehmungsstörungen (Zeitwahrnehmung),
  • Überforderung im Beruf, der viele Ursachen haben kann, z.B. Selbstüberschätzung, Mangel an Kompetenz, Intelligenz und Begabung,
  • Unterforderung, die z.B. bei hoher Kreativität in einem Routinejob oder durch Hochbegabung auftreten kann,
  • hohen Leistungsansprüchen, z.B. Perfektionismus (Alles oder nichts-Prinzip), können nicht durch Streßmanagement behandelt werden.
  • sozialen Problematiken, bei denen sich eher das soziale Kompetenztraining anbietet.

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Ärgermanagement von Novaco

R.W. Novaco übertrug Prinzipien des Streßimpfungstrainings auf die Steuerung von Wutausbrüchen nach Provokationen. Wut oder Ärger versteht Novaco als eine Gefühlsreaktion auf Provokationen, die sich auf drei Ebenen manifestiert:

  • Auf der kognitiven (gedanklichen) Ebene finden sich Aussagen, Einschätzungen und Erwartungen in bezug auf die Provokationen, die man an sich selbst richtet, z.B. „das hat er nur getan, um mich zu ärgern,“ oder „Er will ein Spielchen spielen. Gut spielen wir es nach meinen Regeln.“
  • Auf der somatisch-affektiven (körperlich-emotionalen) Ebene wird Ärger durch Anspannung und motorische Unruhe verstärkt. Angesammelte physiologische Erregung kann Ärger potenzieren, so z.B. wenn die Ärger auslösende Situation verlassen wird, man sich mit dem Ärger aber nicht konstruktiv auseinandergesetzt hat. Auch durch einen Angriff gegen den anderen und die damit verbundenen weiteren Ärger auslösenden Hinweisreize kann Ärger gesteigert werden.
  • Die dritte Ebene ist das im engeren Sinn zu verstehende Ärgerverhalten in den Situationen.

Novaco behandelte mehrere Personen mit einem auf Ärger angepaßten Streßimpfungstraining: Er setzte sich mit ihnen in kleinen Gruppen zusammen, führte eine Situationsanalyse mit ihnen durch, um Ursachen, Bedingungen des Ärgers und mit ihm verbundene Gefühle zu erkunden. Dazu wurden die Patienten aufgefordert, sich jüngere Erfahrungen mit Provokationen gedanklich vor Augen zu führen (Vorstellungsübungen). Dann machte Novaco den Patienten klar, daß Ärger durch an sich selbst gerichtete Aussagen (Selbstinstruktionen) verändert werden kann. Er erklärte verschiedene Funktionen des Ärgers wie Selbstverteidigung und Bewirkung von Unterbrechungen. Negative Aussagen an sich selbst führen nach Novaco zu einer Steigerung der Vorstellung, angegriffen zu werden, so daß man immer intoleranter gegenüber Fehlern von anderen wird und Racheabsichten hegt. Die körperliche Anspannung in solchen Situatioenn wird durch Entspannungsverfahren, die negativen Gedanken werden durch Selbstinstruktionen kontrolliert.

Novacos Ansicht ist es, daß Ärgerreaktionen in Stufen eingeteilt werden können:

  1. Vorbereitung auf Provokationen in jeder Situation,
  2. Auftreten und Begegnung mit Provokationen,
  3. die Auseinandersetzung mit der Erregung,
  4. Bewertung der Bewältigung der Situation.

Sein Training setzt sich wie das Streßimpfungstraining von Meichenbaum aus drei Phasen zusammen:

  1. einer Unterrichtsphase, in der die Teilnehmer über das Wesen von Ärger informiert werden,
  2. einer Phase, in der Entspannung und kognitive Fähigkeiten trainiert werden,
  3. einer Anwendungsphase des Gelernten, in der die Teilnehmer sich die Situationen vorstellen sollten.

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Wirksamkeit von kognitiven Bewältigungstrainings

Die Wirksamkeit von kognitiven Bewältigungstrainings wurde in mehreren Therapiestudien an Patienten mit vielen unterschiedlichen Störungen (u.a. Schizophrenie, Angststörungen, Depressionen, Zwangstörung, Alkoholabhängigkeit, Schmerzstörungen) überprüft. Dabei zeigte sich eine breite Wirksamkeit in mehreren Bereichen, also nicht nur in den Hauptbeschwerden der behandelten Patienten, sondern auch in der Befindlichkeit, im sozialen, zwischenmenschlichen Bereich und im Freizeitbereich (vgl. Tabelle). Nachuntersuchungen belegen, daß die positiven Wirkungen auch mindestens 6 Monate nach der Therapie noch anhalten.

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Literaturempfehlung

Meichenbaum, D. (1985/2003). Intervention bei Streß. Anwendung und Wirkung des Streßimpfungstrainings. Bern: Huber. ISBN: 3-456-83893.


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