Trainings Sozialer Kompetenzen
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Übersicht

An dieser Stelle finden Sie Informationen rund um die Trainings Sozialer Kompetenzen. Diese Informationen sind in folgende Bereiche gruppiert:

 

Soziales Verhalten, soziale Fertigkeiten und Trainings Sozialer Kompetenzen

Das Verhalten, das Menschen im Umgang mit anderen Menschen zeigen (kurz: soziales Verhalten) ist in großem Ausmaß gelerntes Verhalten. Gelernt wird es seit Geburt unter dem Einfluß von Erfahrungen mit den Eltern, Geschwistern und Verwandten, später mit den Gleichaltrigen, den Lehrern und den Vorgesetzten in Schule und Beruf. Aufgrund der vielfältigen Einflüsse auf das Sozialverhalten besteht die Möglichkeit, daß sozial inkompetente Verhaltensweisen erlernt werden und sich ein Gefühl der Unsicherheit im Umgang mit Arbeitskollegen, Vorgesetzten, dem Ehepartner, Freunden oder Verwandten bildet. Manchmal entwickelt sich darüber hinaus auch eine starke soziale Angst und die Tendenz, soziale Situationen zu meiden. Man spricht dann von einer Sozialen Phobie.

Eine bewährte Methode, soziale Unsicherheit zu vermindern und sozial kompetente Verhaltensweisen zu lernen, stellen Trainings Sozialer Kompetenzen oder Selbstsicherheitstrainings dar. In ihnen werden verunsichernde und Angst machende Situationen besprochen, defizitäre Fertigkeiten identifiziert und soziale Kompetenzen (social skills) vermittelt, um sie in Übungen mit einem Trainer und auch allein einzusetzen und zu verbessern. Trainings Sozialer Kompetenzen gehören seit Ende der 40er Jahre zu einer der vielen in der Verhaltenstherapie angewendeten Verfahrensgruppen. Die Trainings werden in unterschiedlichen Formen angeboten und setzen sich aus mehreren, unterschiedlichen Elementen zusammen. Alle Trainings haben jedoch zum Ziel, die soziale Fertigkeiten und die Selbstsicherheit der Teilnehmer zu verbessern.

Im Bereich der Sozialen Kompetenzen gibt es zahlreiche ähnlich klingende Begriffe, die nicht ganz eindeutig definiert sind. Zur Orientierung folgen ein paar knappe Erläuterungen zu einigen wichtigen Begriffen:

Selbstvertrauen ist die subjektive Sicherheit einer Person, in sozialen Situationen erfolgreich bestehen zu können.

Der Begriff Selbstsicherheit bezieht sich darauf, daß eine Person sowohl über das Wissen um die in einer Situation geltenden sozialen Regeln verfügt, als auch darauf, daß sie in der Lage ist, dieses Wissen in der Situation in konkrete Verhaltensweisen umzusetzen und sich sozial kompetent zu verhalten.

Soziale Kompetenzen sind situations- und kulturabhängige Kombinationen aus kognitiven, emotionalen und motorischen Fertigkeiten, die eine Person langfristig zwischenmenschliche Situationen erfolgreich bewältigen lassen. Zu den wichtigsten sozialen Fertigkeiten gehören nichtsprachliche Fertigkeiten wie z.B. der angemessene Einsatz von Blickkontakt, Lautstärke beim Sprechen, Mimik und Gestik. Angemessenheit bedeutet im Bereich der Sozialen Kompetenz immer die situationale Angemessenheit. Keine Verhaltensweise ist immer angemessen.

Wenn sie in einer sozialen Situation angemessen eingesetzt werden, zählen beispielsweise folgende Verhaltensweisen zu den Sozialen Kompetenzen:

  • Neinsagen
  • Versuchungen zurückweisen
  • auf Kritik reagieren
  • Widerspruch äußern
  • Unterbrechungen im Gespräch unterbinden
  • sich entschuldigen
  • Schwächen eingestehen
  • unerwünschte Kontakte beenden
  • Komplimente akzeptieren
  • auf Kontaktangebote reagieren
  • Gespräche beginnen
  • Gespräche aufrechterhalten
  • Gespräche beenden
  • erwünschte Kontakte arrangieren
  • um einen Gefallen bitten
  • Komplimente machen
  • Gefühle zeigen

Diese Verhaltensweisen lassen sich in Kategorien zusammenfassen, wie z.B. diejenigen von Lazarus (1973):

  • die Fähigkeit, nein zu sagen,
  • die Fähigkeit, Bitten, Wünsche und Forderungen zu äußern,
  • die Fähigkeit, positive und negative Gefühle zu äußern,
  • die Fähigkeit, Gespräche anzuregen.

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Drei Typen des sozialen Verhaltens

In Kontrast zu sozial kompetenten Verhaltensweisen kann man auch sozial inkompetente Verhaltensweisen definieren. Nach Alberti und Emmons (1974) lassen sich so 3 Typen von sozialen Verhaltensmustern unterscheiden: die passive Person, die aggressive Person und die assertive (selbstsichere) Person

Die passive Person wird oft ausgenutzt und ist oft unfähig, ihre Rechte einzufordern oder die eigenen Ziele zu erreichen. Sie fühlt sich frustriert, unglücklich, verletzt und empfindet Angst. Im Verhalten zeigt sich diese Person als abweisend und wirkt gehemmt, auch wenn sie es selbst oft nicht so empfindet. Entscheidungen trifft diese Person nicht selbst, sondern sie erlaubt anderen sehr häufig, Entscheidungen für sich zu treffen.

Die aggressive Person nutzt oft andere Menschen aus und verletzt deren Rechte. Sie verfolgt eigene Ziele meistens auf Kosten anderer. Menschen mit aggressivem Sozialverhalten fühlen sich oft in einer Verteidigungsposition, in die sie sich durch dauernde Konflikte mit anderen hineingedrängt fühlen. Solche Menschen sind häufig jähzornig und wirken unberechenbar feindselig und verärgert.

Die assertive (selbstsichere) Person beschützt ihre eigenen Rechte, wobei sie aber auch die Rechte der anderen respektiert. Auf diese Weise versucht sie, langfristig ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Im allgemeinen besitzt eine assertive Person ein großes Selbstwertgefühl und ein angemessenes Selbstvertrauen. Sie kann sich auf der sozialen und emotionalen Ebene angemessen ausdrücken und trifft selbständig Entscheidungen.

Aber auch selbstsichere, sozial kompetente Menschen haben nicht immer Erfolg. Dies von ihnen oder von sich selbst zu verlangen, wäre ein unrealistischer, zu hoch gegriffener Anspruch. Soziale Kompetenz zeigt sich stattdessen darin, im Bereich des Denkens, der Gefühle und der sichtbaren Verhaltensweisen, darunter auch in der sprachlichen Ausdrucksform, über Fertigkeiten zu verfügen, die in einer sozialen Situation geltenden Regeln zu kennen und die zur Verfügung stehenden Fertigkeiten situational angemessen in Verhalten umzusetzen. Die Konsequenz daraus ist ein für die jeweilige soziale Situationen langfristig günstiges Verhältnis von positiven und negativen Konsequenzen für sich selbst. Kurzfristig können sozial inkompetente Personen zwar mehr Erfolg als sozial kompetente Personen haben, langfristig kehrt sich dieses Verhältnis allerdings um.

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Zielgruppe von Trainings Sozialer Kompetenzen

Trainings Sozialer Kompetenzen richten sich nicht nicht nur an Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie (z.B. Schizophrene, Depressive oder Sozialphobiker) oder Suchtkranke (z.B. Alkoholabhängige), sondern an jeden. Denn ein solches Training ist nicht darauf gerichtet, das Sozialverhalten der Teilnehmenden vollständig zu verändern, sondern das Ziel ist die konstruktive Arbeit an den individuellen Schwierigkeiten und Problemen in sozialen Situationen. Solche Schwierigkeiten hat jeder (irgendwann) in mehr oder weniger ausgeprägter Weise (einmal gehabt) und deshalb kann auch ein im großen und ganzen psychisch Gesunder von Trainings Sozialer Kompetenzen profitieren.

Bei folgenden Störungen ist ein Training Sozialer Kompetenzen oft sinnvoll:

Nicht angezeigt ist ein solches Training in akuten psychotischen Phasen, bei extrem aggressivem Verhalten, sehr starker Angst, sehr geringen sprachlichen Fähigkeiten und bei Ehe- und Partnerproblemen, bei denen besser eine Paartherapie zum Einsatz kommen sollte.

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Aufbau und Ablauf von Trainings Sozialer Kompetenzen

Trainings Sozialer Kompetenzen werden oft in der Gruppe durchgeführt, weil am Beispiel anderer und im Rollenspiel mit den anderen leichter sozial kompetente Verhaltensweisen erlernt werden können. Da viele Trainings Sozialer Kompetenzen entwickelt wurden, die sich z.B. im konkreten Ablauf unterscheiden, wird im folgenden nur der Ablauf eines bestimmten Trainings, des Personal Effectiveness Trainings von Liberman und Kollegen grob vorgestellt werden. Eine modifizierte Version dieses Trainings habe ich selbst entwickelt und darauf basierend für mehrere Monate Gruppentherapie in einer Fachklinik für Abhängigkeitskrankheiten angeboten. Dabei unterstützte mich ein damaliger Studienkollege.

Andere, besonders in Deutschland weit verbreitete Trainings sind das Assertiveness Training Programme (ATP) von Ullrich de Muynck & Ullrich und das Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK) von Hinsch und Pfingsten. Prinzipiell sind die Abläufe dieser Trainings dem des Personal Effectiveness Trainings ähnlich.

In einem Training Sozialer Kompetenzen sollen die Teilnehmenden Möglichkeiten eines effektiven Umgangs mit anderen Personen (Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Verkäufern, Vertretern usw.) in für den einzelnen Patienten problematischen sozialen Situationen erarbeiten, beobachten und üben, wobei sowohl die eigenen Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse angemessen ausgedrückt (sprachlich sowie durch Mimik und Gestik) als auch die Gefühle, Gedanken und Bedürfnisse der anderen angemessen berücksichtigt werden sollen: Langfristig positive Konsequenzen sollen Vorrang vor kurzfristig positiven Konsequenzen haben.

In den einzelnen Trainingssitzungen werden individuelle Problemsituationen besprochen, indem sie auf drei Ebenen behandelt werden: gedanklich, emotional und tatsächliches Verhalten. Diese Informationen werden vom Patienten erfragt und auf eine bestimmte Situation verdichtet (Planungsteil).

Im anschließenden Trainingsteil wird eine Teilnehmerin / ein Teilnehmer gebeten, ihre Problemsituation in einem Rollenspiel darzustellen (sogenannter "Dry run"). Aus dem Kreis der übrigen Teilnehmenden sollen geeignete Personen ausgewählt werden, die ihre / seine Interaktionspartner darstellen. Geeignet bedeutet hier, daß die ausgewählten Interaktionspartner den Personen, mit denen wirklich Schwierigkeiten bestehen (z.B. der eigenen Mutter, dem Chef) ähnlich sein sollten.

Während des Rollenspiels achtet die Gruppe auf die angemessenen, die defizitären und die exzessiven Verhaltenskomponenten, wobei besonders die nichtsprachlichen Aspekte beachtet werden:

  • Lautstärke und Sprechtempo,
  • Modulation der Stimme und Flüssigkeit des Sprechens,
  • Einsatz der Hände,
  • Körperhaltung,
  • Gesichtsausdruck,
  • Blickkontakt.

Danach wird das Rollenspiel in der Gruppe besprochen, indem die positiven Aspekte im Verhalten der Person, die ihr Problem vorstellt, in der Gruppe erarbeitet werden. Nach der Nennung der positiven Aspekte werden maximal 2 Verbesserungsvorschläge gemacht, deren Umsetzung sich der Teilnehmende, um dessen Problem es geht, durch andere Teilnehmer oder den Therapeuten ansehen kann (Modellauf) . Beim Modellauf kommt es darauf an, daß das Sozialverhalten nicht perfekt vorgespielt wird (kein Master-Modell), weil die Person, um die es geht, sonst entmutigt werden könnte. Es geht vielmehr darum, es hinreichend gut vorzuführen (stattdessen: Coping-Modell), um Mut zu machen, daß der Beobachter es lernen kann. Nach dem Modellauf soll der Teilnehmende in einem erneuten Rollenspiel selbst die Verbesserungsvorschläge üben (Trainingslauf ) und erhält von der Gruppe dafür positives Feedback.

Die Therapeuten erarbeiten dann zusammen mit demjenigen, der sein Problem geschildert hat, eine Übung für zu Hause oder den Klinikalltag, was z.B. das Geben von Komplimenten an die Ehefrau oder das Einmal-früher-Nachhause-Gehen-Können gegenüber dem Chef sein kann. Diese Übungen sind sehr wichtig, weil neues Verhalten nur dann zur Routine werden kann, wenn es oft genug wiederholt wird. Außerdem erfahren die Teilnehmer, daß das im Training Gesehene auch "im wirklichen Leben" funktioniert und nicht nur im Kurs, wo "sowieso jeder macht, was der Therapeut sagt".

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Wirkung und Wirksamkeit von Trainings Sozialer Kompetenzen

Die Wirksamkeit von Trainings Sozialer Kompetenzen wurde in zahlreichen Studien mit Patienten, die an unterschiedlichen Probleme und Störungen  untersucht (darunter Patienten mit sozialer Phobie, Depression, Psychosen, Alkoholabhängigkeit, Anorexie). Die unten stehende Tabelle zeigt die Ergebnisse aus Vergleichen von Therapie- und Kontrollgruppen. Demnach sind die Trainings vor allem  in der Behandlung der Hauptsymptome der Störungen und im sozialen, zwischenmenschlichen Bereich erfolgreich. Trainings Sozialer Kompetenzen führen damit nicht nur in ihrem Hauptanwendungsbereich, dem Gebiet zwischenmenschlicher Kompetenzen, zu positiven Effekten, sondern können indirekt auch die Hauptsymptomatik von Störungen verbessern, in denen soziale Schwierigkeiten nicht das Charakteristikum der Störungen darstellen.

Schwierigkeiten bereitet allerdings die genaue Feststellung, welche von den vielen eingesetzten Techniken innerhalb der Trainings wirken. Vielleicht ist dies mit ein Grund, warum es so viele unterschiedliche Trainingsformen gibt, die alle dasselbe Ziel erreichen wollen.

Die Überprüfung der Wirksamkeit des Trainings für die Teilnehmenden eines konkreten Kurses kann z.B. anhand der "Selbstsicherheitspyramide ", einer auf dem Kopf stehende Pyramide mit den Anteilen selbstsicheres Verhalten - selbstsichere Verhaltensgewohnheiten - selbstsichere Persönlichkeit, erläutert werden, daß über zunächst einfache Verhaltensweisen und deren positive Folgen selbstsichere Verhaltensgewohnheiten gebildet werden und langfristig die Selbstsicherheit allgemein ansteigt. Dabei wird darauf hingewiesen, daß das Training nicht dem Zweck dienen soll, ein "Star" im Bereich der sozialen Kompetenzen zu werden, sondern problematische Situationen besser zu bewältigen. Hilfreich sind auch Vorher-Nachher-Messungen sozialer Fertigkeiten mit Fragebögen wie z.B. dem U(nsicherheits)-Fragebogen von Ullrich de Muynck & Ullrich: Die Teilnehmer können ihre Fertigkeiten anhand von Fragen selbst einstufen und erhalten von den Therapeuten vor und nach dem Kurs oder in regelmäßigen zeitlichen Abständen ein zusätzliches Feedback.

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Literaturempfehlungen

Hinsch, R. & Pfingsten, U. (2002). Gruppentraining Sozialer Kompetenzen (GSK), m. CD-ROM. Weinheim: BeltzPVU. ISBN: 3621275010

Ullrich, R. & Muynck, R. (2001). ATP. Einübung von Selbstvertrauen. Bedingungen und Formen sozialer Schwierigkeiten. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN: 3608896686

Ullrich, R. & Muynck, R. (2003). ATP. Einübung von Selbstvertrauen. Grundkurs. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN: 3608896678.

Ullrich, R. & Muynck, R. (2004). ATP- Einübung von Selbstvertrauen und kommunikative Problemlösung. Anwendung in Freundeskreis, Arbeit und Familie. Stuttgart: Klett-Cotta. ISBN: 360889666X.

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