Soziale Phobie
[Home]
[Organ. psych. Störungen]
[Schizophrenie]
[Affektive Störungen]
[Zwang]
[Angst]
[Somatoforme Störungen]
[Persönlichkeit]
[Dissoziative Störungen]

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesen Themen? [zum Forum]

Übersicht

Symptome

Verlauf

Vermutete Ursachen

Therapie

 

Symptome

Bei der Sozialen Phobie handelt es sich um ein Störungsbild, in dessen Zentrum eine intensive Angst vor mindestens einer sozialen oder Leistungssituation vorliegt. Diese Situationen zeichnet aus, daß die betroffene Person auf ihr unbekannte Menschen trifft oder in ihnen durch andere Personen beurteilt werden kann (z.B. beim Halten eines Vortrages). Typischerweise befürchten Sozialphobiker, daß sie aufgrund ihrer vermeintlich unangemessenen Verhaltensweisen gedemütigt werden oder daß das Verhalten ihnen selbst peinlich ist. Wenn sie mit diesen Situationen konfrontiert werden, erleben sie meistens starke Angst und oft situationsgebundene Panikattacken. Wie anderen Phobikern ist auch Sozialphobikern bewußt, daß ihr Verhalten übertrieben oder unbegründet ist. Trotzdem können sie es nicht kontrollieren und vermeiden die Angst auslösenden Situationen. Aufgrund der wichtigen sozialen und ökonomischen Bedeutung der Angst auslösenden Situationen sind Sozialphobiker viel häufiger von Einschränkungen ihrer beruflichen oder schulischen Leistung beeinträchtigt als Personen mit spezifischer Phobie. Wenn die Soziale Phobie fast alle sozialen Situationen betrifft, bezeichnet man sie als Generalisierte Soziale Phobie. Häufig tritt Soziale Phobie in Kombination mit anderen Angststörungen (5,5 bis 8,5faches Risiko), Depression (3,7 bis 5,6faches Risiko) und Drogenmißbrauch (2faches Risiko) auf.

Die Wahrscheinlichkeit, einmal im Leben an Sozialer Phobie zu erkranken, liegt in der Allgemeinbevölkerung zwischen 3% und 13%. In Bezug auf einen Zeitraum von 6 Monaten liegt die Wahrscheinlichkeit zwischen 1,2% und 2,2%. Die große Streubreite der Wahrscheinlichkeitsangaben ist vielleicht durch unterschiedlich strenge Kriterien bei der Diagnose der Störung bedingt, wird aber auch auf fluktuierende Verläufe der Störung zurückgeführt.

Soziale Phobien treten bei Frauen häufiger als bei Männern auf. Das Geschlechterverhältnis scheint aber ausgeglichener zu sein als bei den spezifischen Phobien. Manche Autoren nennen ein Verhältnis von 3:2 zu Ungunsten der Frauen.

nach oben

Verlauf

Das Ersterkrankungsalter für Soziale Phobie liegt meistens bei ca. 15 Jahren und sehr selten über dem 30. Lebensjahr. Der Mittelwert beträgt 18,9 Jahre. Es sind sowohl Entstehungen der Störung nach einem belastendem Erlebnis als auch mit schleichendem Beginn bekannt.

Der Verlauf sozialer Ängste ist meistens chronisch und die Dauer lebenslang. Allerdings gibt es auch Fälle, in denen der Schweregrad der Phobie abnehmen kann oder Vollremissionen auftreten. Manchen Autoren zufolge ist ein Wechsel zwischen Phasen mit größerem Schweregrad und Phasen mit geringerem Schweregrad typisch.

nach oben

Vermutete Ursachen

Für die Soziale Phobien sind zwei Erklärungsmodelle aufgrund ihrer Bedeutung für die Therapie hervorzuheben.

Das Selbstdarstellungsmodell von Schlenker und Leary (1982) geht davon aus, daß Sozialphobiker eine starke Tendenz haben, bei anderen einen bestimmten Eindruck erwecken zu wollen, wobei sie ihren Fertigkeiten, dieses Ziel zu erreichen, nicht vertrauen. Zusätzlich werden in der Theorie wahrgenommene oder tatsächliche Defizite in sozialen Fertigkeiten berücksichtigt.

Beck und Emery (1985) schlagen demgegenüber das Modell der kognitiven Vulnerabilität vor. Sie gehen von kognitiven Schemata aus, die bei allen Menschen vorhanden sind und helfen, Objekte, Situationen und Ereignisse einzuschätzen und das Verhalten danach auszurichten. Sozialphobiker sollen allerdings dafür anfällig (vulnerabel) sein, solche Schemata zu aktivieren, aufgrund derer sie soziale Situationen als bedrohlich und ihre Bewältigungsmöglichkeiten als unangemessen einschätzen. Aufgrund von logischen Denkfehlern und falschen Generalisierungen vermeiden sie zunehmend weitere soziale Kontakte und intensivieren damit das Ausmaß ihrer unangemessenen Wahrnehmungen.

Diese beiden Modelle sind jedoch nur in einigen Aspekten empirisch hinreichend überprüft worden und enthalten auch zu wenig Angaben darüber, welche Personen warum eine Soziale Phobie entwickeln. Dieser Frage sind zahlreiche andere Hypothesen gewidmet, die Annahmen über eine genetische Disposition sowie Lernvorgänge umfassen. Die Annahme einer genetischen Bedingtheit der Sozialen Phobie läßt sich mit einer größeren Häufigkeit dieser Störung bei Familienangehörigen von Sozialphobikern belegen. Allerdings könnten diese auch durch Lernprozesse wie Modellernen bedingt sein, wenn Kinder ihre sozialphobischen Eltern in Kontakt mit anderen Menschen erleben oder durch deren Einstellungen beeinflußt werden. Sozialphobiker scheinen auch häufig negative Erfahrungen mit Gleichaltrigen und (potentiellen) Sexualpartnern gemacht zu haben, aufgrund derer sie soziale Situationen als bedrohlich und selbstwertmindernd erleben. Um sich dagegen zu schützen, streben sie nach perfektem Verhalten und erwarten, da sich dies auf die Dauer als nicht durchführbar erweist, daß soziale Interaktionen generell mit Zurückweisung, Statusverlust und Erniedrigung verbunden ist. Deshalb vermeiden Sozialphobiker soziale Situationen oder stellen sich ihnen nur mit starken negativen Erwartungen über deren Art, die enormen Schwierigkeiten, sie zu bewältigen, und deren negative Konsequenzen. Die in sozialen Situationen bei ihnen häufig auftretende physiologische Erregung verstärkt die Einstellungen der Sozialphobiker zusätzlich (Stopa & Clark, 1993).

nach oben

Therapie

Bei der Therapie der Sozialen Phobie sind ausgehend von den Überlegungen zu den Ursachen der Störung folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • soziale Angst einschließlich der kognitiven Schemata,
  • defizitäre soziale Fertigkeiten .

Die Therapie der Sozialen Phobie kann daher nicht erfolgreich sein, wenn sie nur bei einem Aspekt ansetzt. Stattdessen sollte eine kombinierte Therapie mit kognitiven und klassisch-verhaltenstherapeutischen Methoden eingesetzt werden, in der mehrere Komponenten zum Tragen kommen.

Günstig ist es, wenn in einer solchen Therapie irrationale Überzeugungen und sogenannte Denkfehler angegangen werden. Dazu gehören solche Denkweisen wie "Ich muß von jeder wichtigen Person geliebt oder gelobt werden" oder "Mein Wert im allgemeinen und meine Selbstannahme hängen von der Güte meiner Leistungen und davon ab, wie sehr andere mich schätzen." Besonders in der Kognitiven Therapie von Beck und der Rational-Emotiven Therapie von Ellis haben sich Therapeuten darauf spezialisiert, zusammen mit dem Betroffenen ihre Denkweisen regelrecht und systematisch zu untersuchen, welche irrational sind und einer Sichtweise der Angst entsprechen.

Allein ist die Analyse irrationaler Denkweisen jedoch oft unzureichend, weil soziale Angst regelmäßig  mit Defiziten in den sozialen Fertigkeiten verbunden ist: Die Angst besteht aufgrund der mangelnden Kompetenzen, und / oder aufgrund der Angst nehmen der Kontakt zu anderen Menschen und die Fertigkeiten im Laufe der Zeit ab, weil sie nicht eingesetzt werden. Daher ist es sinnvoll, die kognitiven Therapieformen mit einem Training Sozialer Kompetenzen (TSK) zu verknüpfen, v.a. derart, daß im ersten Schritt die irrationalen Denkweisen analysiert und verändert werden und schließlich ein TSK dazu kommt.

Die Auffassung, daß eine kombinierte Therapie aus kognitiven und verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethoden bessere Erfolge zeigt als die Einzeltherapien allein, wird durch die Ergebnisse einer Meta-Analyse (Fedoroff & Taylor, 2001) gestützt, in die 42 Therapiestudien eingeschlossen waren: Weder eine alleinige Reizkonfrontation noch eine alleinige kognitive Therapie noch ein alleiniges soziales Kompetenztraining erbrachten bessere Therapieerfolge als Placebo. Dagegen war eine kombinierte Therapie Placebo deutlich überlegen.

Zur langfristigen medikamentösen Behandlung von sozialer Phobie können Antidepressiva (Monoaminooxidase-Hemmer, MAOH, wie z.B. AurorixR, oder Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, SSRH, wie z.B. FevarinR oder TagonisR) erfolgreich eingesetzt werden. Zur akuten Behandlung von Angstanfällen wird die vorübergehende Gabe von Benzodiazepinen (z.B. TavorR) angeraten.

nach oben

Wichtiger Hinweis: Die Angaben zu Art, Dosierung und Häufigkeit der Medikation entstammen medizinischer und psychologischer Fachliteratur. Eine Gewährleistung für die Richtigkeit der Angaben wird nicht übernommen. Alle Angaben sind eigenständig zu überprüfen. Die Gabe dieser Medikamente ist nur Ärzten gestattet. Siehe auch den Haftungsausschluß.


[Kontakt]

 

© 2004-2009 Dr. Oliver Walter. Die Websites www.verhaltenswissenschaft.de und http://people.freenet.de/oliverwalter einschließlich aller ihrer Teile sind urheberrechtlich geschützt. Mit der Öffnung und Nutzung dieser Seiten erklärt der Nutzer sich mit den im Haftungsausschluß bekanntgegebenen Bedingungen einverstanden.