Dissoziative Störungen
[Home]
[Geschichte]
[Behaviorismus]
[Persönlichkeit]
[Psych. Störungen]
[Literatur]

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen zu diesen Themen? [zum Forum]

Übersicht

Einführung

Dissoziative Amnesie

Dissoziative Fugue

Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung)

Depersonalisationsstörung

 

Einführung

Sowohl im DSM-IV TR als auch in der ICD-10 werden eine Reihe von psychischen Störungen unter dem Oberbegriff Dissoziative Störungen zusammengefaßt. Hauptmerkmal dieser Störung ist die Dissoziation. Mit Dissoziation ist die fehlende Integration von bewußten und unbewußten psychischen Funktionen gemeint. Das DSM-IV TR bezieht sich dabei auf die Funktionen

  • Bewußtsein
  • Gedächtnis
  • Identität
  • Wahrnehmung der Umwelt.

Bei dissoziativ gestörten Personen passen Inhalte dieser Funktionen nicht zueinander, sie sind der bewußten Kontrolle und / oder Steuerung (teilweise) entzogen.

Zu den Dissoziativen Störungen zählen im DSM-IV TR:

  1. Dissoziative Amnesie
  2. Dissoziative Fugue
  3. Dissoziative Identitätsstörung
  4. Depersonalisationsstörung.

Die ICD-10 kennt die beiden erstgenannten Störungen ebenfalls (F44.0 und F44.1), die dritte Störung wird in der ICD-10 dagegen als Multiple Persönlichkeitsstörung (F44.81) bezeichnet. Die Depersonalisationsstörung zählt in der ICD-10 nicht zu den Dissoziativen Störungen, sondern zu den “sonstigen neurotischen Störungen”. Außerdem finden sich in der ICD-10 weitere Störungen unter den Dissoziativen Störungen, die im DSM-IV TR einer anderen Kategorie zugeordnet oder nicht zu finden. Dazu gehören:

  1. dissoziativer Stupor (F44.2)
  2. Trance und Besessenheitszustände (F44.3)
  3. dissoziative Bewegungsstörungen (F44.4)
  4. dissoziative Krampfanfälle (F44.5)
  5. dissoziative Sensibilitäts- und Empfindungsstörungen (F44.6)
  6. dissoziative Störungen (Konversionsstörungen), gemischt (F44.7)
  7. sonstige dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) (F44.8)
    1. Ganser-Syndrom (F44.80)
    2. vorübergehende dissozitive Störungen (Konversionsstörungen) in der Kindheit und Jugend (F44.82)

Viele dieser Störungen, insbesondere die Konversionsstörungen, beziehen sich auf körperliche Symptome und unterscheiden sich darin von den oben genannten dissoziativen Störungen, bei denen die Symptome rein psychisch sind. Daher sind diese Störungen im DSM-IV TR der Kategorie Somatoforme Störungen zugeordnet.

An dieser Stelle sollen die im DSM-IV TR als dissoziativ benannten Störungen genauer betrachtet werden. Das Wissen über diese Störungen ist allerdings relativ gering, da die Störungen nur selten vorkommen.

zur Übersicht

Dissoziative Amnesie

Das Hauptmerkmal der Dissoziativen Amnesie ist die Unfähigkeit der betroffenen Person, sich an bedeutende  Informationen aus der eigenen Lebensgeschichte zu erinnern. Gewöhnlich steht der Gedächtnisverlust in Zusammenhang mit einem belastenden oder traumatischen Lebensereignis wie z.B. Selbstverletzungen, Suizidversuche, Gewaltausbrüche. Die Amnesie zeigt sich meistens in Form einer oder mehrerer Gedächtnislücken, wenn die betroffene Person ein Ereignis rückblickend betrachtet. Seltener macht sich die Amnesie durch einen plötzlichen Beginn bemerkbar.

Man kann mehrere Formen des Gedächtnisverlusts im Rahmen einer Dissoziativen Amnesie unterscheiden:

  • lokalisierte Amnesie: Die Person erinnert sich nicht mehr an Ereignisse in einem begrenzten Zeitabschnitt, z.B. an die ersten beiden Tage nach einem Autounfall.
  • generalisierte Amnesie: Die Person hat keinerlei Erinnerung an ihr bisheriges Leben.
  • kontinuierliche Amnesie: Die Person erinnert sich von einem bestimmten Zeitpunkt bis in die Gegenwart an nichts.
  • systematisierte Amnesie: Die Person hat keinerlei Erinnerungen an bestimmte Aspekte ihres Lebens. Manche Betroffene erinnern sich z.B. nicht mehr an ihre Familienangehörigen.

Die häufigste Form der Dissoziativen Amnesie ist die lokalisierte Amnesie. Die anderen Formen sind eher selten. Falls sie diagnostiziert werden, kommt es später oft zu einer Änderung der Diagnose in eine andere Störungsform, weil neben der Amnesie noch Symptome entdeckt werden, durch die die Kriterien einer anderen psychichen, oft einer anderen dissoziativen Störung erfüllt werden.

Neben dem Gedächtnisverlust klagen Personen mit Dissoziativer Amnesie manchmal auch über

  • depressive Symptome
  • Angst
  • Depersonalisation
  • Trancezustände
  • Analgesie (Schmerzunempfindlichkeit)
  • sexuelle Funktionsstörungen.

Zudem kann es zu plötzlichen Aggressionsausbrüchen, selbstverletzendem und suizidalem Verhalten kommen. Man hat auch eine erhöhte Suggestibilität und Hypnotisierbarkeit bei Personen mit Dissoziativer Amnesie festgestellt.

Wichtig:

Die Dissoziative Amnesie kann nur dann diagnostiziert werden, wenn der Gedächtnisverlust nicht ausschließlich im Rahmen einer Dissoziativen Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung), Dissoziativen Fugue, Posttraumatischen Belastungsstörung, Akuten Belastungsstörung und Somatisierungsstörung auftritt. Es handelt sich auch nicht um eine Dissoziative Amnesie, wenn der Gedächtnisverlust direkt auf eine körperliche Schädigung durch eine Substanz (Droge, Medikament) oder eine körperliche Erkrankung oder Verletzung zurückgeführt werden kann.

Die Dissoziative Störung wird - auch aufgrund der strengen Diagnosekriterien - nur selten diagnostiziert. Die Prävalenz wird auf maximal 0,1 Prozent geschätzt.

zur Übersicht

Dissoziative Fugue

Personen mit Dissoziativer Fugue verlassen plötzlich und unerwartet, aber in geordneter Weise ihr Zuhause oder ihren Arbeitsplatz und können sich an ihre gesamte oder Teile ihrer Lebensgeschichte nicht mehr erinnern. Sie sind sich unsicher darüber, wer sie sind (Unsicherheit über die eigene Identität), oder nehmen eine neue Identität an. Der Beginn der Fugue kann in Zusammenhang mit belastenden oder traumatischen Ereignissen stehen.

Meistens ist eine Dissoziative Fugue wenig spektakulär: Die Betroffenen entfernen sich nicht sehr weit von ihrem bisherigen Aufenthaltsort und kehren nach wenigen Stunden oder Tagen wieder zurück. Während der Fugue weisen sie keine anderen psychopathologischen Symptome auf, verhalten sich unaufällig und erregen keine Aufmerksamkeit. Erst wenn sich der Gedächtnisverlust und die Unsicherheit über ihre eigene Person in der Interaktion mit anderen Menschen bemerkbar machen, fallen sie auf.

Extreme Fälle der Dissoziativen Fugue zeichnen sich dadurch aus, daß die Betroffenen sich weit von ihrem bisherigen Lebens- und Wohnort entfernen, Tausende von Kilometern reisen, dabei andere Länder besuchen und eine andere Identität herausbilden. Die neue Identität kann in einem neuen Namen, einer neuen Wohnung, neuen sozialen Aktivitäten bestehen. Meistens sind die betroffenen Personen gegenüber ihrer früheren Identität geselliger. Weite Reisen sowie die Annahme einer neuen Identität sind allerdings sehr selten.

Eine Fugue endet meistens abrupt mit spontaner, meist vollständiger Rückkehr der Erinnerungen. Oft besteht allerdings eine Amnesie für die Erlebnisse während der Fugue. Nach Beendigung der Fugue können zahlreiche psychopathologische Symptome bei den betroffenen Personen auftreten:

  • Amnesie für traumatische Ereignisse in der Vergangenheit (z.B. die die Fugue auslösenden Ereignisse)
  • depressive Symptome
  • Angstsymptome
  • Belastungssymptome
  • Mißbrauch von Drogen oder Medikamenten.

Die Personen können Anzeichen von Trauer, Scham- und Schuldgefühlen zeigen. Es können psychosoziale Probleme wie der Verlust des Arbeitsplatzes, Konflikte mit Familienangehörigen und Freunden auftreten. Die Probleme, die nach einer Dissoziativen Fugue auftreten können, sind tendenziell umso schwerer, je größer das Ausmaß der Fugue war.

Die Dissoziative Fugue ist eine seltene Störung. Die Prävalenz liegt bei ca. 0,2 Prozent. Nur sehr selten kommt es zum mehrmaligen Auftreten einer Fugue bei der gleichen Person.

Wichtig:

Häufiger als die Dissoziative Fugue ist das mehr oder weniger ziellose Herumwandern bei Personen mit anderen psychischen oder neurologischen Störungen. Daher müssen diese Personen von Personen mit Dissoziativer Fugue unterschieden werden. Eine Dissoziative Fugue wird nicht diagnostiziert, wenn die Symptome direkt auf eine körperliche Erkrankung oder Verletzung oder eine Substanz (Droge, Medikament) zurückzuführen sind. Zu diesen Fällen zählen zum Beispiel Personen mit epileptischen Anfällen, die ebenfalls ihren Lebens- und Wohnort verlassen und umherwandern können. Diese Wanderungen sind weniger zielgerichtet als die während einer Dissoziativen Fugue und nicht geplant. Sie dauern meistens weniger lang. Planlose Wanderungen können ebenfalls bei Schizophrenen vorkommen. Bei ihnen fallen im Unterschied zu Personen mit Dissoziativer Fugue noch andere psychopathologische Symptome (Wahn, Halluzinationen, Bewegungsstörungen) auf.

Zielgerichtete und geplante Reisen sowie Gedächtnisverluste ähnlich wie bei einer Dissoziativen Fugue können bei Manikern vorkommen. Liegen neben den Symptomen einer Fugue manisch-depressive Symptome vor, handelt es sich um eine Bipolare Störung und nicht um eine Dissoziative Fugue.

Die Dissoziative Fugue ist vom Verlassen des Wohn- und Arbeitsplatzes und dem Vortäuschen von Gedächtnisverlusten bei Personen zu unterscheiden, die rechtliche, finanzielle oder persönliche Probleme haben und diesen Problemen ausweichen möchten. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eine Dissoziative Fugue, sondern um Fälle von Simulation.

zur Übersicht

Dissoziative Identitätsstörung (Multiple Persönlichkeitsstörung)

Symptome

Häufigkeit

Kritik an der Störungskategorie

Vermutete Ursachen

Therapie

 

Symptome

Die Multiple Persönlichkeitsstörung (MPS) wird heute auch als Dissoziative Identitätsstörung (DIS) bezeichnet. Im folgenden wird daher dieser Name verwendet.

Personen, die diese psychische Störung aufweisen, besitzen zwei oder mehr Subpersönlichkeiten mit eigenen Erinnerungen, Verhaltensweisen, Gedanken und Gefühlen. Die Subpersönlichkeiten haben üblicherweise ihren eigenen Namen, was der "Tatsache" gerecht wird, daß sich die Subpersönlichkeiten in verschiedenen Merkmalen voneinander unterscheiden, die sich in 4 Bereiche unterteilen lassen:

  • Persönlichkeitsmerkmale (brav, tugendhaft, religiös, witzig, frech)
  • Sozialdaten (Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Familiengeschichte)
  • Fähigkeiten und Vorlieben (Autofahren, Instrumente, Fremdsprachen, Handschriften)
  • Physiologische Aktivität (Aktivität des vegetativen Nervensystems, Blutdruck, Menstruationszyklus, Hirnströme gemessen durch EEG)

Zu einer Zeit kann immer nur eine Subpersönlichkeit das Verhalten der Person bestimmen und mit der Umwelt in Kontakt treten. Gewöhnlich zeigt sich eine der Subpersönlichkeiten, die primäre oder Gastgeberpersönlichkeit, häufiger als die anderen. Die primäre Identität, die den Namen der Person trägt, ist oft passiv, abhängig, schuldig oder depressiv. Andere Identitäten sind oft gegensätzlich (z.B.feindselig). Sie werden so erlebt, als ob sie auf Kosten der anderen die Kontrolle übernehmen (die Identitäten haben Beziehungen untereinander, gelegentlich teilt eine mächtige Identität die aktive Zeit ein). Der Übergang der Kontrolle von einer Subpersönlichkeit zu anderen erfolgt gewöhnlich plötzlich und ist oft dramatisch (meist nach belastendem Ereignis oder künstlich induziert, z.B. durch Hypnose). Für die Zeit der Kontrollübernahme durch andere Subpersönlichkeiten erlebt die primäre Identität meistens einen Gedächtnisverlust, der gewöhnlich das Symptom ist, aufgrund dessen sich die Person in Therapie begibt.

Die Anzahl der Subpersönlichkeiten kann von 2 bis mehr als 100 reichen. Die Hälfte der berichteten Fälle beziehen sich auf Personen mit 10 oder weniger Identitäten. Die Subpersönlichkeiten können auch jeweils in Zweier- oder Dreiergruppen auftreten.

Die Subpersönlichkeiten können drei Arten von Beziehungen untereinander haben:

  • wechselseitige Amnesie: Die Subpersönlichkeiten wissen nichts voneinander.
  • wechselseitiges Wissen: Die Subpersönlichkeiten wissen voneinander, sie hören sich gegenseitig und sprechen miteinander.
  • einseitige amnestische Beziehung: Am häufigsten kommt es vor, daß einige Subpersönlichkeiten (ko-bewußte Subpersönlichkeiten) von der Existenz der anderen wissen, als “stille Beobachter” die Handlungen und Gedanken der anderen beobachten, aber nicht mit diesen interagieren. Sie können sich manchmal, während eine andere Subpersönlichkeit dominiert, durch indirekte Mittel bemerkbar machen, z.B. durch akustische Halluzinationen (Stimme spricht) oder "automatisches Schreiben".

zur Übersicht

Häufigkeit der Störung

Die Störung wird meistens zum ersten Mal in der Adoleszenz oder dem frühen Erwachsenenalter diagnostiziert. Allerdings wird angenommen, daß sich die Symptome bereits in der frühen Kindheit nach Mißbrauchserlebnissen entwickeln (üblicherweise vor einem Alter von 5 Jahren). Studien zufolge wurden 97% der Betroffenen in ihren ersten Lebensjahren körperlich, oft sexuell mißhandelt. Bei Frauen wird die Störung drei- bis neunmal so häufig diagnostiziert wie bei Männern. Die durchschnittliche Anzahl der Subpersönlichkeiten beträgt bei Frauen 15, bei Männern 8.

Die Störung ist selten, doch wird sie in neuerer Zeit v.a. in den USA häufiger als früher diagnostiziert (bis 1970: 100 Fälle publiziert; bis Mitte der 1970er Jahre: 200 Fälle; Anfang der 1980er Jahre: 400 Fälle). Man nimmt als Grund der häufigeren Diagnose an, daß die Störung für authentischer gehalten wird, während sie früher vielleicht häufiger als Schizophrenie diagnostiziert wurde.

zur Übersicht

Kritik an der Störungskategorie

Die gestiegene Häufigkeit und die aufsehenerrengende Symptome der Störung rufen erhebliche Zweifel daran hervor, ob die Dissoziative Identitätsstörung tatsächlich eine nützliche und zutreffende Beschreibung für das ist, was mit dem Begriff “multiple Persönlichkeit” beschrieben wird. Kritiker vermuten eine Verursachung der Störung durch den Therapeuten (sogenannte Iatrogenität der Störung - vom Arzt / Therapeuten verursachte Symptome), indem falsche Erinnerungen hervorgerufen werden, z.B. in Hypnose. Es wird angenommen, daß der Therapeut von der Existenz verschiedener Persönlichkeiten ausgeht oder sie im Zustand der Hypnose sogar erzeugt. In den USA hat es tatsächlich Fälle gegeben, in denen Patientinnen Erinnerungen an Mißbrauch suggiert worden sind, der niemals stattgefunden hat.

Die Kritik an den verdrängten und wiedererinnerten Mißbrauchstraumata soll im folgenden näher beschrieben werden, weil sie selbst Gegenkritik ausgesetzt war und zu heftigen Kontroversen geführt hat.

Im Zusammenhang mit sexuellem Mißbrauch, der als die Hauptursache von Dissozativer Identitätsstörung gilt, wird nicht selten behauptet, daß viele mißbrauchte Frauen die traumatischen Ereignisse verdrängen und sich deshalb nicht an sie erinnern können. In der Therapie müßten die verdrängten Erinnerungen deshalb erst wieder zugänglich gemacht werden. Dies könne nur mit speziellen Techniken geschehen, in manchen Fällen nur mit der Hypnose.

Kritiker wenden gegen diese häufige Argumentation ein, daß die Hypnose dafür bekannt ist, daß sie die Genauigkeit von Erinnerungen nicht erhöht, sondern im Gegenteil vermehrt falsche Erinnerungen erzeugt, die trügerischerweise auch noch als besonders genau erlebt werden (Kihlstrom, 1997; Lynn et al., 1997; Steblay et al., 1994).

Die Anhänger der Theorie verdrängter Erinnerungen argumentieren jedoch, daß inzwischen eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen vorlägen, die ihren Standpunkt hinreichend belegen würden. Von den Kritikern kommt der Einwand, daß die Ergebnisse dieser Untersuchungen unzutreffend interpretiert werden. Folgende Argumente werden von den beiden Gruppen diskutiert

  • Die Anhänger behaupten, daß die Kritiker beweisen müßten, daß es keine verdrängten Erinnerungen gibt. Die Kritiker weisen dieses Argument zurück, weil die Beweislast bei demjenigen liege, der behauptet, daß es etwas gibt, und nicht bei demjenigen, der behauptet, daß es etwas nicht gibt. [Anmerkung von www.verhaltenswissenschaft.de: Dem Standpunkt der Kritiker muß man aus wissenschaftstheoretischer Sicht zustimmen.]
  • Die Anhänger verweisen auf Studienergebnisse, denen zufolge es Gedächtnisstörungen - sowohl häufiges Wiedererleben als auch Gedächtnisverluste - bei Opfern von sexuellem Mißbrauch gebe. Die Kritiker stimmen dem zu, betonen aber, daß der Gedächtnisverlust sich nicht auf Aspekte des Trauma beziehe, sondern auf Alltagsereignisse. Gerade weil die Opfer sich so häufig an das Trauma erinnerten, hätten sie Schwierigkeiten damit, sich Alltägliches zu merken. Das habe also nichts mit Verdrängung zu tun.
  • Als Belege für Gedächtnisstörungen zitieren die Anhänger Untersuchungen mit organisch verursachten Gedächtnisverlusten. Die Kritiker weisen darauf hin, daß Verdrängung nicht als organisches Phänomen gelte, sondern als psychologisches. Organische Störungen seien also kein Beleg für psychologische Verdrängung.
  • Als weitere Belege für Gedächtnisverluste werden von den Anhängern der Verdrängungshypothese Erinnerungslücken von KZ-Häftlingen herangezogen. Die Kritiker wenden ein, daß KZ-Häftlinge sich in der Regel außerordentlich gut an die traumatischen Situationen erinnern könnten und nur hin und wieder Schwierigkeiten mit Details hätten. Diese Gedächtnisverluste hätten außerdem nichts mit Verdrängung zu tun, da es normal sei, wenn sich Menschen 50 Jahre nach einem Ereignis nicht mehr an alle Details erinnern könnten.
  • Die Anhänger zitieren Befragungen, in denen 60% der Opfer von sexuellem Mißbrauch angeben, sich mindestens einmal in ihrem Leben nicht an ihr Trauma erinnert zu haben. Die Kritiker halten den Anhängern jedoch vor, daß dies ein Beweis dafür sei, daß sich diese Frauen an ihr Trauma erinnern, weil sie sonst die Frage nicht mit “Ja” beantworten könnten. [Anmerkung von www.verhaltenswissenschaft.de : Dieser Standpunkt der Kritiker ist einleuchtend. Wenn es verdrängte Erinnerungen geben sollte, dann dürften sich die Personen, die das Trauma verdrängt haben, an nichts im Zusammenhang mit dem Trauma erinnern, könnten also nicht mit “Ja” auf die Frage antworten, ob sie sich manchmal nicht erinnern können.]
  • Die Anhänger zitieren eine Interview-Studie von Williams (1994), der zufolge sich 38% der Frauen, die vor Jahren sexuell mißbraucht und ins Krankenhaus eingeliefert worden waren, später nicht mehr an dieses Ereignis erinnern können. Die Kritiker wenden ein, daß sich von diesen 38% aber immerhin 67,3% an andere Aspekte des sexuellen Mißbrauchs erinnern. Es sind also nur 14,7% aller Frauen, die sagen, daß sie sich überhaupt nicht mehr an sexuellen Mißbrauch erinnern, obwohl sie einmal mißbraucht worden waren. Die Kritiker argumentieren weiter, daß der Grund, warum manche Frauen sagen, daß sie sich nicht erinnern können, nicht unbedingt Verdrängung sein muß. Man müßte die Frauen auf die Widersprüche hinweisen und fragen, wie sie zustande kämen. In einer Studie, in der das geschehen ist, gaben alle Frauen an, die sich zuerst nicht erinnern konnten, daß sie das nur gesagt hätten, weil sie den Interviewer unsympathisch fänden.
  • In Fallstudien findet man immer wieder Berichte, daß Opfer sich lange Jahre nicht an den Mißbrauch erinnern konnten, dann sich aber durch irgend einen Zufall (z.B. Bekanntschaft eines Mannes, der dem Täter ähnlich sieht) plötzlich wieder erinnern können. Die Kritiker erklären, daß das ein normaler Erinnerungsprozeß sei und kein Hinweis auf Verdrängung, von der es doch hieße, man bedürfe eines Therapeuten und ggf. der Hypnose, um sie aufzuheben.

Der Standpunkt der Kritiker wird auch durch eine Reihe von Ergebnissen aus Studien von McNally, Clancy und Kollegen gestützt. Ihnen zufolge verhalten sich Personen, die behaupten, sie hätten traumatische Gedächtnisinhalte verdrängt oder könnten sich nach langer Zeit wieder an sie erinnern, anders, als es aufgrund der Verdrängungshypothese zu erwarten sei. Personen, die sich nach langer Zeit angeblich wiedererinnern, berichten z.B. viel häufiger von falschen Ereignissen als Menschen, die sich ihr ganzes Leben an traumatische Ereignisse erinnern. Die Häufigkeit der falschen Erinnerungen ist bei ersteren ungefähr so häufig wie bei Personen, die behaupten, sie seien von Außerirdischen entführt worden (Clancy et al., 2000; Clancy et al., 2002).

Neben der Möglichkeit, falsche Erinnerungen durch Hypnose zu erzeugen, wird eingewendet, daß sich “Symptome” der Dissoziativen Identitätsstörung auch durch erhöhte Aufmerksamkeit hervorrufen lassen.Weitere Hinweise auf Zweifel an der Angemessenheit der Störungskategorie sind die häufigen Zusatzdiagnosen (z.B. Schizophrenie, Depression) und der häufig anzutreffende längere Kontakt (7 Jahre) der Betroffenen zu Gesundheitsdiensten vor der Diagnosestellung.

Aufgrund der erheblichen Zweifel sowohl an der Dissoziativen Identitätsstörung als auch am Phänomen der verdrängten und wiedererinnerten Trauma-Erlebnisse heißt es in einem Standardwerk der Klinischen Psychologie (Reinecker, 1998) zu dieser Störung

    "Die Beeinflußbarkeit durch Hypnose, die Möglichkeiten zur Simulation der Störung und Überschneidungen in der Diagnostik (z.B. mit PTSD und Borderline Störung) erschweren die Diskussion um diese Störungsform. Während vor allem von der europäischen Psychiatrie die Entität der Störung kritisiert wird (vgl. Merskey, 1995, S 305 ff.), wird diese in Deutschland auch propagiert (vgl. Huber, 1995)."

Ergänzend soll auf die Gefahr hingewiesen werden, die von irreführenden Behauptungen über unzutreffende Zusammenhänge ausgehen. So ist es z.B. falsch, daß Opfer sexuellen Mißbrauchs fast immer die Dissoziative Identitätsstörung aufweisen, und irreführend, die Zweifel an der Angemessenheit der Störungskategorie mit der Leugnung sexuellen Mißbrauchs gleichzusetzen.

zur Übersicht

Vermutete Ursachen

Zur Erklärung der Dissoziativen Identitätsstörung gibt es eine Reihe von Vermutungen, die alle relativ spekulativ sind. Einige von ihnen werden näher erläutert:

zur Übersicht

Tiefenpsychologische Ansicht

Nach diesem Ansatz sollen dissoziative Störungen das Resultat extremer und dysfunktionaler Verdrängungsprozesse sein, die der Abwehr von Angst dienen. Bei der Dissoziativen Identitätsstörung soll es sich um eine lebenslange, übermäßige Verdrängung handeln, die durch extrem traumatische Kindheitserfahrungen (insbesondere Mißhandlungen durch die Eltern) ausgelöst werden. Dabei findet eine symbolische Flucht in "andere Personen" statt, die dem Geschehen aus sicherer Entfernung zusehen können. Dazu kommt die Furcht vor den Impulsen, die angeblich zu ihrer Mißhandlung führen, so daß sie sich bemühen immer "brav" und "anständig" zu sein. Immer wenn die verdrängten Impulse durchzubrechen drohen, werden sie anderen Persönlichkeiten zugeordnet. Dadurch soll es zu einer gehemmten, freudlosen Primärpersönlichkeit kommen, während die anderen Subpersönlichkeiten dreist und triebgesteuert sind.

Der psychodynamische Ansatz bezieht seine Bestätigung aus Fallgeschichten, in denen sich meistens brutale Kindheitserfahrungen finden. Allerdings gibt es auch Fälle, bei denen der Hintergrund nicht eindeutig auffällig zu sein scheint. Außerdem ist die Häufigkeit von Kindesmißhandlung viel größer als die der Dissoziativen Störungen. Es bleibt die Frage offen, warum nur ein kleiner Teil der mißhandelten Kinder dissoziative Symptome entwickeln.

nach oben

Verhaltenstherapeutische Ansicht

Der lerntheoretische Ansatz weist Ähnlichkeiten und Unterschiede zum psychodynamischen Erklärungsansatz auf: Zum einen wird wie beim psychodynamischen Ansatz ein traumatisches Erlebnis als Ausgangspunkt angenommen und das Verhalten als Versuch der Angstreduzierung gesehen. Nach beiden Ansätzen besteht bei den Betroffenen keine Einsicht darin, daß die Reaktion der Angstreduzierung dient. Zum anderen sieht der lerntheoretische Ansatz das erste Auftreten der dissoziativen Symptome eher als zufällig an, während die Psychodynamiker sie bereits für zielgerichtete Versuche halten. Zudem ist der zugrundeliegende Prozeß für die Lerntheoretiker der der negativen Verstärkung und nicht der eines unbewußten Abwehrmechanismus.

Der lerntheoretische Ansatz mußte sich ebenfalls stark auf Fallgeschichten beziehen, die zwar mit den lerntheoretischen Hypothesen übereinstimmen, aber auch mit anderen Erklärungsmöglichkeiten. Die lerntheoretische Erklärung beinhaltet auch keine Aussagen, wie genau der Prozeß der zeitweisen Ablenkung von schmerzlichen Erinnerungen geschehen soll und wie er zu einer erworbenen Reaktion wird. Außerdem ist nicht klar, warum nicht mehr Menschen dissoziative Störungen entwickeln, wenn doch temporäres Vergessen im Leben oft verstärkt wird. Die komplizierten Wechselwirkungen der Subpersönlichkeiten kann der Ansatz ebenfalls nicht erklären.

Informationen zur radikal-behavioristischen Sicht auf Persönlichkeit und multiplen Persönlichkeiten erhalten Sie auf der Site http://www.verhalten.org/multiple.html von Christoph Bördlein.

nach oben

Erklärungsansatz auf Basis des zustandsabhängigen Lernens

Beim Erklärungsversuch durch das zustandsabhängige Lernen wird auf Untersuchungsbefunde zurückgegriffen, die besagen, daß die beste Erinnerung an Lerninhalte in einer Situation stattfindet, die der Lernsituation stark ähnelt. Ausgangspunkt der Forschung zum zustandsabhängigen Lernen waren Lernaufgaben von Tieren unter Einfluß von Drogen, wobei die beste Erinnerungsleistung dann gemessen wurde, wenn die Tiere unter Drogen standen (z.B. Pusakulich & Nielson, 1976). Forschungsarbeiten an Menschen zeigten später, daß das zustandsabhängige Lernen sowohl auf psychische als auch auf physiologische Zustände bezogen ist. Bei Menschen fand man z.B., daß die Stimmung auf das Lernen und die Erinnerung einen Einfluß hatte: Wenn unter fröhlicher Stimmung gelernt wurde, wurde unter fröhlicher Stimmung am besten erinnert (Bower, 1981).

Bei der Übertragung dieser Befunde zur Erklärung der Dissoziativen Identitätsstörung wird davon ausgegangen, daß unterschiedliche Erregungsniveaus im Gehirn möglicherweise unterschiedliche Gruppen von Erinnerungen, Gedanken und Fertigkeiten hervorrufen - also unterschiedliche “Subpersönlichkeiten”. Wenn die Erregungsniveaus sich stark ändern, können die während eines ähnlichen Zustands erworbenen Fähigkeiten hervortreten, während die unter einem anderen Zustand erworbenen verschwinden. Die abrupten Wechsel zwischen den Subpersönlichkeiten sprechen für diesen Ansatz.

nach oben

Erklärungsansatz auf Basis der Selbsthypnose

Hypnose ist ein schlafähnlicher Zustand mit hohem Grad an Suggestibilität und verändertem Wahrnehmen, Denken und Handeln. Unter Hypnose ist es bei manchen Personen manchmal möglich, daß sie sich an scheinbar vergessene Ereignisse erinnern. Andererseits kann die Hypnose auch zum Vergessen von Tatsachen, Ereignissen und der persönlichen Identität führen, etwas, was als hypnotische Amnesie bezeichnet wird.

Die typische Untersuchungssituation zur hypnotischen Amnesie besteht aus dem Lernen einer Wortliste und der hypnotischen Instruktion zum Vergessen des Gelernten bis zum Aufhebungssignal (z.B. Fingerschnalzen). Die Experimente nach diesem Schema zeigen eine starke Beeinträchtigung der Reproduktionsleistung bis zum Aufhebungssignal. Außerdem ist das episodische Gedächtnis, das die Erinnerungen an die eigenen Lebenserfahrungen enthält, stärker hypnotisch beeinflußbar als das semantische Gedächtnis, das Erinnerungen an das Weltwissen wie z.B. geschichtliche Daten, den Namen des Bundeskanzlers, das Wissen über das Funktionsprinzip eines Autos enthält.

Die Anwendung der Kenntnisse über Hypnose auf die Dissoziative Identitätsstörung stützt sich auf das bei beiden Phänomenen vorkommende Vergessen mit späterer Erinnerung, ein Vergessen, das den Personen nicht bewußt ist, und ein leichteres Vergessen episodischer als semantischer Inhalte. Es wird angenommen, daß sich die Betroffenen sich unter Selbsthypnose dazu bringen, negative Erinnerungen zu vergessen. Nach einem Bericht von Bliss (1980) über 14 Frauen, die unter Dissoziativer Identitätsstörung litten, waren alle Frauen leicht empfänglich für Hypnose und hatten eine lange Vorgeschichte möglicher Selbsthypnosen, die bis ins 5. bis 7. Lebensjahr zurückreichte. Dieser Bericht wurde durch weitere Studien bestätigt. Aufgrund dieser Untersuchungen gehen viele Theoretiker heute davon aus, daß die Störung in der Regel mit 4 bis 6 Jahren beginnt, da die Kinder in diesem Lebensalter sehr suggestibel sind und gute Hypnoseprobanden abgeben. Danach gelingt es manchen traumatisierten oder mißbrauchten Kindern, ihrer bedrohlichen Welt durch Selbsthypnose zu entfliehen, sich psychisch von ihrem Körper und dessen Umgebung zu trennen und sich ihren Wunsch, eine oder mehrere andere Personen zu sein, zu erfüllen.

nach oben

Die Therapie der Dissoziativen Identitätsstörung

Spontanremissionen sind bei der Dissoziativen Identitätsstörung selten. Daher ist eine Therapie in fast jedem Fall notwendig. Das Therapiekonzept besteht darin, den Betroffenen zu helfen,

  • die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen und zu verstehen,
  • ihre Gedächtnislücken aufzufüllen,
  • ihre Subpersönlichkeiten zu einer zu integrieren.

Therapieelement I - Störung erkennen

Zu Beginn wird ein therapeutisches Bündnis zwischen dem Therapeuten und jeder der Subpersönlichkeiten angestrebt. Es können auch Verträge geschlossen werden, um einem Abbruch der Therapie, Selbstschädigungen oder Suizid vorzubeugen. Oft sind diese Bündnisse nicht leicht herzustellen, was auf das durch den Mißbrauch zurückzuführende Mißtrauen der Subpersönlichkeiten gegenüber anderen zurückzuführen ist.

Für die Patienten ist es meistens schwierig, die volle Tragweite ihrer Störung zu erkennen, weil sie sich oft niemals dem Umstand gestellt haben, daß sie in mehrere Subpersönlichkeiten zerfallen. Dies wird z.T. durch die gegenseitigen Amnesien der Subpersönlichkeiten untereinander zurückgeführt. Daher ist es wichtig, daß sich die Patienten bewußt werden, daß sie mehrere Subpersönlichkeiten beherbergen. Dies kann z.B. durch Vorstellen der Subpersönlichkeiten untereinander in der Hypnose oder auch durch Videovorführungen der Subpersönlichkeiten geschehen. Die Erkenntnisprozeß ist meistens mit starken emotionalen Belastungen für die Patienten verbunden.

Viele Therapeuten meinen, daß eine Gruppentherapie in diesem Fall sinnvoll ist, weil die Betroffenen merken, daß sie nicht allein mit ihrer Störung sind. Außerdem wird häufig eine Familientherapie durchgeführt, um die Ehepartner, Kinder und Angehörigen über die Störung zu informieren. Die Angehörigen können außerdem oft wertvolle Informationen über die Subpersönlichkeiten beisteuern.

Therapieelement II - Erinnerungen wiederfinden

In diesem Therapieabschnitt werden viele der Techniken eingesetzt, die auch bei anderen dissoziativen Störungen angewendet werden (psychodynamische Therapie, Hypnotherapie und Barbiturate). Das besondere Problem bei der Dissoziativen Identitätsstörung besteht darin, daß die Erinnerungen nicht nur durch die eine Subpersönlichkeit vergessen wurden, sondern daß sie zu anderen Identitäten gehören. Es gibt oft "Beschützer"-Subpersönlichkeiten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Primärpersönlichkeit vor den traumatischen Erfahrungen zu bewahren. Wenn sich die Primärpersönlichkeit an diese Erfahrungen erinnern soll, dann setzen besonders diese "Beschützer"-Subpersönlichkeiten dem therapeutischen Bemühen Widerstand entgegen. Es kommt manchmal vor, daß die Patienten selbstdestruktiv und gewalttätig werden, wenn in der Therapie Erinnerungen aufgedeckt werden, so daß eine stationäre Aufnahme notwendig wird.

Therapieelement III - Integration de Subpersönlichkeiten

Das endgültige Therapieziel besteht in der Integration der Subpersönlichkeiten in eine. Die Integration ist ein kontinuierlicher Prozeß, der sich während der Therapie nur dann vollzieht, wenn die Grenzen zwischen Subpersönlichkeiten durchlässig werden, so daß der Betroffene schließlich ständig die Kontrolle über seine Verhaltensweisen, Gefühle und Gedanken hat. Die letztendliche Verschmelzung aller Subpersönlichkeiten zu einer wird als Fusion bezeichnet (feindliche Übernahme?). Der Integration begegnen die Subpersönlichkeiten meistens mit Mißtrauen oder vollständiger Ablehnung, weil sie die Integration mit ihrem Tod gleichsetzen.

Für die Integration wurden eine Reihe von Ansätzen vorgeschlagen, u.a. psychodynamische, unterstützende, kognitive und medikamentöse Therapie. Auch Selbstsicherheitstraining kann angewendet werden, so daß der Betroffene lernt, seine Wut auf eine funktionalere und befriedigendere Weise auszudrücken, was manchmal zu einem Verschwinden der aggressiven und feindseligen Subpersönlichkeiten führen kann. Manche Therapeuten nutzen aber auch Diskussionen und Interaktionen zwischen den Subpersönlichkeiten, so ähnlich wie in einer Gruppentherapie.

Nach einer Fusion der Subpersönlichkeiten muß die Therapie fortgesetzt werden, um die integrierte Persönlichkeit zu festigen und die sozialen und Bewältigungsmechanismen zu entwickeln, damit keine weiteren Dissoziationen auftreten. Ohne die fortgesetzte Therapie besteht die Gefahr eine erneuten dissoziativen Reaktion auf zukünftige akute Belastungen.

Beurteilung der Therapie

Die Therapie ist meistens langwierig, ihre Wirksamkeit umstritten. So berichten einige Therapeuten von hohen Erfolgsraten, während andere von Widerstand gegen eine vollständige Integration bei den meisten Betroffenen sprechen. Einige Therapeuten stellen die vollständige Integration der Subpersönlichkeiten zu einer Identität auch in Frage, weil sie meinen, daß die Patienten eine zufriedenstellende Anpassung erreichen, wenn nur die schwerer gestörten Subpersönlichkeiten integriert werden.

zur Übersicht

Depersonalisationsstörung

Personen mit Depersonalisationsstörung erleben sich als losgelöst oder entfremdet von sich selbst. Die Gefühle der Entfremdung und des Losgelöstseins können sich darin äußern, daß sie sich wie ein Roboter, wie im Traum oder im Film fühlen. Es kann auch vorkommen, daß es den Personen so vorkommt, als beobachteten sie sich oder Teile von sich selbst (Körperteile, Denkprozesse) von außen.

Neben den Symptomen der Depersonalisation erleben die Betroffenen ihre Umwelt oft als unwirklich oder fremd. Dies kann sich in unheimlich wirkenden Veränderungen der Größenwahrnehmung zeigen oder in der Wahrnehmung, daß sich andere Personen fremdartig und nicht wie Menschen verhalten. Diese Symptome werden als Derealisation bezeichnet.

Im Unterschied zu Personen mit psychotischen Störungen wie z.B. einer Schizophrenie wissen Personen mit Depersonalisationsstörung, daß es sich bei ihren Erlebnissen um Gefühle des “Als ob” handelt. Sie gehen nicht davon aus, daß sie oder andere Personen tatsächlich Roboter sind oder daß sie sich tatsächlich von außen beobachten.

Es fällt Menschen mit Depersonalisationsstörung oft schwer, ihre mit der Depersonalisation verbundenen Erlebnisse treffend zu beschreiben. Sie fürchten, daß sie “verrückt” sind, und sind neben Depersonalisation und Derealisation oft in weiteren Bereichen psychopathologisch auffällig:

Symptome von Depersonalisation und Derealisation sind sehr häufige Symptome bei vielen psychischen Störungen. Besonders häufig sind sie bei Schizophrenie, Panikstörung, Akuter Belastungsstörung und anderen Dissoziativen Störungen. Wenn Depersonalisation und Derealisation im Rahmen dieser anderen psychischen Störungen auftreten, so ist die andere psychische Störung und nicht die Depersonalisationsstörung zu diagnostizieren. Auch wird keine Depersonalisationsstörung diagnostiziert, wenn die Depersonalisation nur im Verlauf von Panikattacken auftritt. Geht die Depersonalisation direkt auf die Wirkung einer Substanz (Droge, Medikament) oder auf eine körperliche Erkrankung oder Verletzung, so schließt dies ebenfalls die Diagnose einer Depersonalisationsstörung aus. Zu beachten ist ferner, daß Depersonalisation und Derealisation nicht selten bei psychopathologisch unauffälligen Personen vorkommen. Eine Depersonalisationsstörung wird deshalb nur dann diagnostiziert, wenn die Depersonalisationssymptome so schwer sind, daß sie zu klinisch bedeutsamen Leiden führen oder zu Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen und anderen wichtigen Bereichen führen.

zur Übersicht


[Kontakt]

 

© 2004-2009 Dr. Oliver Walter. Die Websites www.verhaltenswissenschaft.de und http://people.freenet.de/oliverwalter einschließlich aller ihrer Teile sind urheberrechtlich geschützt. Mit der Öffnung und Nutzung dieser Seiten erklärt der Nutzer sich mit den im Haftungsausschluß bekanntgegebenen Bedingungen einverstanden.