Manie
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Übersicht Manie

Symptome

Verlauf

vermuteten Ursachen

Therapie

Ratgeber für Patienten und Angehörige

 

Symptome

Die Manie oder manische Episode ist ein mindestens 1 Woche andauernder Zustand, in dem die Stimmung bis zur Euphorie gesteigert ist, wobei aber auch eine reizbare Stimmung vorherrschen kann. Der Maniker weist in diesem Zeitraum ein übermäßig gesteigertes Selbstwertgefühl auf, das durch Vorstellungen über die eigene Großartigkeit (sogenannte Größenideen) begleitet werden kann. Das Schlafbedürfnis ist in dieser Zeit stark herabgesetzt, so daß sich Maniker bereits nach wenigen Stunden Schlaf vollständig ausgeruht fühlen. In der manischen Episode sind die Betroffenen sehr gesprächig, erleben manchmal sogar einen unwiderstehlichen Drang zum Reden, der sich in einer Logorrhoe (“Wortdurchfall”) bemerkbar machen kann. Während des Redens auftretende Themen und Ideen sind oft flüchtig, d. h. der Maniker springt sehr schnell von einem zum anderen Thema. Allerdings kann der Betroffene auch nur das Gefühl haben, daß seine Gedanken sehr schnell wechseln (“Gedankenrasen”). Im allgemeinen sind Maniker stark ablenkbar und ihre Aufmerksamkeit ist dadurch stark herabgesetzt, weil sie sich ständig neuen Reizen aussetzen. Die Aktivitäten von Manikern sind stark gesteigert, z.B. im beruflichen oder wirtschaftlichen Bereich (Handel mit Waren, Wechsel des Arbeitsplatzes, Firmengründung), auch im sozialen (schneller Aufbau von wechselnden Kontakten) und sexuellen Bereich. Sie beschäftigen sich übermäßig stark mit angenehmen Aktivitäten, die mit großer Wahrscheinlichkeit negative Konsequenzen für sie haben. Beispiele dafür sind übermäßiges Geldausgeben, die Investition in unseriöse oder schlecht geplante wirtschaftliche Unternehmungen sowie viele und sehr schnell wechselnde Sexualkontakte.

In der akuten Episode fühlen sich Maniker typischerweise nicht krank und sind deshalb zu einer Behandlung meistens nicht bereit, so daß eine Einweisung und Behandlung gegen ihren Willen notwendig werden kann. Drogenmißbrauch, Straftaten, Aggressivität, Verwahrlosung, Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten aufgrund exzessiver körperlicher Aktivität und körperliche Austrocknung stellen nicht selten Begleiterscheinungen einer manischen Episode dar.

Reine Manien sind allerdings sehr selten. Meistens treten manische Episoden im Wechsel mit depressiven Episoden auf. Daher wurde dieses Krankheitsbild früher als manisch-depressive Psychose bezeichnet. Heute spricht das DSM-IV von einer Bipolar I Störung zur Unterscheidung von den monopolaren Depressionen.

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Verlauf

Die Bipolar I Störung ist im Allgemeinen eine lebenslange chronische Erkrankung. Im günstigsten Fall treten die Symptome nicht mehr auf. Dies ist aber meistens nicht der Fall. Mehr als 90% der Betroffenen erleben nicht nur eine einzelne Manische Episode, sondern bei ca. 60-70% treten unmittelbar vor oder nach der Manischen Episode depressive Episoden auf. Die Störung beginnt in den meisten Fällen zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr. Die erste Episode ist meistens eine depressive Phase. Bis zum ersten Auftreten einer manischen Phase bleibt daher die Bipolar I Störung im Regelfall unentdeckt. Neuerdings gibt es vermehrt Hinweise auf die Existenz einer  präpubertärer Form der Bipolar-Störung. In diesen Fällen manifestiert sich die Störung weniger durch abgrenzbare Episoden, sondern eher durch gemischte Zustände mit Desorganisiertheit, psychotischen Inhalten und schnellen Stimmungswechseln.

Zu Beginn des Störungsverlauf treten bei den meisten Patienten ungefähr 4 Episoden in 10 Jahren auf (ohne Behandlung mit Lithium), wobei die Symptome zwischen den Episoden in den meisten Fällen (ca. 90%) anfangs vollständig zurückgehen (Vollremission). Im weiteren Verlauf nimmt die Anzahl der Episoden meistens zu. Etwa 30 bis 50% der Zeit befinden sich Patienten mit Bipolar I Störung in depressiven, etwa 10% der Zeit in manischen Phasen. Außerhalb der Episoden wächst die Häufigkeit von Restsymptomen und chronischen Zuständen (20-50% der Betroffenen). Im Alter kehrt sich der Trend dann oft wieder um. Ein kleiner Teil der Betroffenen (5-15%) weist mehr als 4 Episoden im Jahr auf (sogenannte "Rapid Cycler").

Der Krankheitsverlauf ist umso schlechter, je früher der Erkrankungsbeginn ist, je ausgeprägter die psychosozialen Beeinträchtigungen und die Stimmungsschwankungen sind und je ausgeprägter die Suizidneigung der Patienten ist. Außerdem geht das Vorhandensein von Bipolar-Störungen in der Familie, ein Substanzmißbrauch und die Erstmanifestation der Erkrankung in einer depressiven Phase mit einer schlechteren Prognose einher. Letzteres könnte dadurch zu erklären sein, daß die Bipolar Störung zu dem Zeitpunkt nicht als solche erkannt und daher nicht angemessen behandelt werden kann.

Bipolar I Störung geht häufig mit anderen psychischen und körperlichen Krankheiten einher: So ist das Risiko für Substanzmußbrauch, Angststörungen und Psychosen bei diesen Patienten erhöht. Auch das allgemeine Mortalitätsrisiko ist bei diesen Personen gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht. Das Suizidrisiko ist sogar um das 20fache erhöht. Das Suizidrisiko erhöht sich weiter, wenn neben der Bipolar Störung noch andere Störungen oder Substanzmißbrauch vorliegt. Suizide stellen eine der zwei häufigsten Todesursachen von Bipolar I Patienten dar. Das Risiko eines Suizides verringert sich durch medikamentöse Behandlung.

Die einzelnen manischen Episoden können langsam beginnen, wobei wochenlang vorher eine hypomane Phase besteht, oder schnell innerhalb weniger Tage oder über Nacht einsetzen. In der hypomanen Phase bestehen charakteristischerweise:

  • Wohlgefühl
  • gestiegenes Selbstwertgefühl
  • Gefühl der Lustigkeit, aber manchmal auch Gereiztheit und Aggressivität
  • Gefühl der Kreativität
  • Gefühl, besser und schneller denken zu können
  • weniger Schlafbedürfnis (schlaflose Nächte ohne Müdigkeitsgefühl)
  • Entstehen von Zielen und Plänen
  • gesteigertes sexuelles Interesse

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Vermutete Ursachen

Die Bipolar I Störung wird überwiegend als genetisch und neurobiologisch bedingte Störung angesehen, auch wenn die Ursachen der Krankheit bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt werden konnten. Zwillingsstudien zeigen deutlich erhöhte Erkrankungshäufigkeiten bei eineiigen Zwillingen (ca. 65%) im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen (ca. 14%). Die Erkrankungsrate bei anderen Verwandten von Manikern beträgt zwischen 5 und 25%. Auf einer Reihe von Chromosomen wurde zudem Genorte lokalisiert, die mit einer erhöhten Anfälligkeit für die Störung zusammenhängen. Bezüglich der Botenstoffe im Gehirn (Neurotransmitter) werden bei Manikern Auffälligkeiten beim Noradrenalin (regionale Hyperaktivität) und beim Dopamin (regionale Hyperaktivität) vermutet. Darauf deuten die Wirksamkeit von Neuroleptika, die Auslösung manischer Symptome durch stimulierende Substanzen wie Kokain und Amphetamin und der Befund vermehrter Stoffwechselprodukte der beiden Neurotransmitter. Streßsituationen und Lebenskrisen können zwar manische Episoden auslösen, als Ursache kommen sie aber wahrscheinlich nicht in Frage.

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Therapie

Bei der Bipolar I Störung ist eine medikamentöse Therapie notwendig, da es sich bei ihr um eine schwere psychische Störung oft mit Selbst- und Fremdgefährdung handelt, die genetisch bedingt ist und sich in einem gestörten Stoffwechsel im Gehirn bemerkbar macht.

Das Mittel der Wahl ist Lithium (Konzentration: 1-1,2 mmol/l), das zwar eine sehr gute vorbeugende Wirkung hat, die aber im Akutfall erst 1-2 Wochen nach Beginn der Medikation einsetzt. In bestimmten Fällen kann auch Valproinsäure (20 mg pro kg Körpergewicht) eingesetzt werden.

Im Fall einer akuten manischen Episode müssen deshalb hochpotente oder atypische Neuroleptika wie bei der Schizophrenie (z.B. Haloperidol, 3x2 bis 3x3 mg pro Tag oral, oder Risperidon 4-6 mg pro Tag oral) gegeben werden. Bei mittelschweren bis schweren Episoden ist fast immer eine höhere Dosierung notwendig. Zusätzlich zu allen bisher genannten Medikamenten werden Benzodiazepine (z.B. Diazepam) und/oder niederpotente Neuroleptika empfohlen, da die Schlafinduktion / Sedierung das Grundprinzip der Therapie der manischen Episode darstellt.

Manische Episoden können sogar so schwer sein, daß Dosierungen der psychiatrischen Notfallmedizin notwendig werden:

  1. Levomepromazin (25-50 mg intramuskulär) oder Diazepam (10 mg intramuskulär oder intravenös) und/oder
  2. Haloperidol (10-15 mg intramuskulär oder intravenös).

Falls die Wirkung nicht ausreicht, sollten die genannten Medikamente in regelmäßigen zeitlichen Abständen (30-60 min) bis zur Tageshöchstmenge eingesetzt werden. Zudem ist eine Sicherung
und Überwachung des Patienten am Krankenbett notwendig. Dies geschieht selbstverständlich zum Schutz des Patienten und seiner Mitmenschen.

Falls die medikamentöse Behandlung der manischen Episode ohne Erfolg bleibt, dann kann als ultima ratio die Elektrokrampfbehandlung eingesetzt werden, die in diesem Fall eine Erfolgswahrscheinlichkeit von immerhin 50% hat.

Zur Langzeitvorbeugung sollte Lithium eingesetzt werden (wirkt in 50-80% der Fälle), allerdings in geringerer Konzentration als während der akuten manischen Episode. Antidepressiva können bei Vorherrschen depressiver Symptome zusätzlich eingesetzt werden, obwohl Lithium bei manisch-depressiver Störung auch gegen das Auftreten depressiver Episoden wirkt. Allerdings ist der Einsatz von Antidepressiva bei dieser Störung zweischneidig, weil diese Medikamente die Episoden auch auslösen können.

Die genannten Medikamente haben recht starke Nebenwirkungen, teilweise sehr schwere sowie schwere Langzeitnebenwirkungen (v.a. die Neuroleptika, deren Einsatz u.a. deshalb v.a. für die mittelschweren und schweren akuten manische Episoden beschränkt wird).

Psychotherapie ist in der manischen Episode wirkungslos. Sie kann und sollte jedoch nach Abklingen der manischen Episode eingesetzt werden, damit die Betroffenen die psychischen und sozialen Folgen der Episode verarbeiten können und um Verhaltensweisen zu ändern, die im Zusammenhang mit der manisch-depressiven Erkrankung stehen (z.B. Drogenmißbrauch).

Wichtiger Hinweis: Die Angaben zu Art, Dosierung und Häufigkeit der Medikation entstammen medizinischer und psychologischer Fachliteratur. Eine Gewährleistung für die Richtigkeit der Angaben wird nicht übernommen. Alle Angaben sind eigenständig zu überprüfen. Die Gabe dieser Medikamente ist nur Ärzten gestattet. Siehe auch den Haftungsausschluß .

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Ratgeber für Patienten und Angehörige

Geislinger, R. & Grunze, H. (2002). Bipolare Störungen (manisch-depressive Erkrankungen). Deutsche Gesellschaft für bipolare Störungen. ISBN: 3831145199

Helmchen, H., Rafaelsen, O. J. & Bauer, M. (2001). Depression, Melancholie, Manie. Ein Buch für Kranke und Angehörige. Stuttgart: Trias. ISBN: 3893736352

Luderer, H.-J. (1998). Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Depression und Manie. Wege zurück in ein normales Leben. Stuttgart: Trias. ISBN: 3893732594

Swann, A. C. (2005). Verlauf und Epidemiologie der bipolaren Störung. In Lader, M. (Hrsg.), Psychiatrie-Highlights 2003 2004. München: Urban & Fischer.

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