Ursachen der  Depression
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Risikofaktoren

Psychologische Theorien

Biologische Theorien

 

Zu den Ursachen depressiver Störungen gibt es eine Reihe von Theorien. Dazu zählen psychologische Theorien wie die Theorie der gelernten Hilflosigkeit von Martin Seligman und die kognitive Theorie von Beck. Daneben existieren biologische Theorien zur Erblichkeit von Depressionen sowie zu Stoffwechselstörungen im Gehirn. Außerdem können eine Reihe von Bedingungen angegeben werden, unter denen die Wahrscheinlichkeit, an einer Depression zu erkranken, erhöht ist (sogenannte Risikofaktoren).

Risikofaktoren

Unter folgenden Bedingungen besteht ein erhöhtes Risiko, an Depression zu erkranken:

  • weibliches Geschlecht: Die Häufigkeitsraten depressiver Erkrankungen zeigen eine ungefähr doppelt so großes Risiko für Frauen. Frauen erkranken zudem häufig früher als Männer und haben eine größere Wahrscheinlichkeit, mehr als eine depressive Episode zu erleben.
  • Lebensalter: Obwohl die Depression in jedem Lebensalter auftreten kann, ist die Häufigkeit der Ersterkrankung an Depression zwischen 18 und 25 Jahren besonders hoch. Bei der Dysthymie zeigt sich ein Anstieg der Erkrankungswahrscheinlichkeit bis zum 30. Lebensjahr, anschließend sinkt sie langsam und ab dem 65. Lebensjahr rapide. Dennoch ist die Depression unter alten Menschen die häufigste psychische Störung.
  • soziale Faktoren: An Depression erkranken häufiger getrennt lebende und geschiedene Menschen sowie Personen, die keine engen Bezugspersonen haben.
  • belastende Lebensereignisse: Solche Ereignisse erhöhen die Wahrscheinlichkeit, daß Depression ausbricht besonders dann, wenn mehrere Ereignisse aufeinanderfolgen. Dabei kann es sich um personenbezogene (z.B. Scheidung) als auch personenunabhängige Ereignisse (z.B. finanzielle Probleme) handeln.
  • familiäre Belastung / genetische Einflüsse: Die Erkrankungshäufigkeit unter Verwandten ersten Grades von Depressiven ist mit 20% fast dreimal so hoch wie die Erkrankungshäufigkeit von Verwandten gesunder Personen

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Psychologische Theorien

Gelernte Hilfslosigkeit

Die Theorie der gelernten Hilflosigkeit wurde seit den 60er Jahren von Martin Seligman entwickelt. Damals forschte Seligman im Bereich der konditionierten Bestrafung von Tieren. In der Vorphase des klassischen Experiments erhielten Hunde, die sich in einer Art Aufhängung befanden, Stromstöße an die Pfoten. Diesen Stromstößen konnten die Hunde nicht ausweichen. Anschließend wurden die Tiere in eine Box gesetzt, die in zwei Teile aufgeteilt war und durch eine kleine Barriere getrennt waren (sogenannte “shuttle box”). In der einen Hälfte erhielten die Hunde wieder Stromstöße, in der anderen jedoch nicht. Die Tiere konnten den Stromstößen also entkommen, wenn sie von einem Teil ins andere wechselten. Es zeigte sich aber, daß viele Hunde diese Fluchtmöglichkeit nicht nutzten, sondern sich stattdessen in dem Teil, in dem sie Stromschläge erhielten, niederkauerten und winselten. Tiere, die in der Vorphase keine Stromstöße an die Pfoten erhalten hatten, wechselten dagegen von einem Teil ins andere. Den Zustand derjenigen Tiere, die nicht flüchteten, bezeichnete Seligman als gelernte Hilflosigkeit.

Seligman schlußfolgerte aus diesem Versuch, daß die Hunde, die in der Vorphase Elektroschocks erhalten hatten, lernten, daß sie keine Kontrolle über die Schocks haben und daher später keine Fluchtversuche unternehmen. Hiroto und Seligman (1975) konnten diese Schlußfolgerung an verschiedenen Tierarten und unter unterschiedlichen Bedingungen bestätigen. Aufgrund dieser Ergebnisse entwickelten Seligman und Mitarbeiter die erste Fassung der Theorie der gelernten Hilflosigkeit. Sie besagt, daß Individuen gelernte Hilflosigkeit zeigen, wenn sie unkontrollierbare negative Erfahrungen machen. Diese Individuen zeigen häufig

  • weniger Nahrungsaufnahme,
  • Gewichtsverlust,
  • verminderte sexuelle Aktivität,
  • weniger soziale Aktivitäten und eine
  • Abnahme des Noradrenalin-Spiegels im Gehirn.
  • Weil diese Symptome denen der Depression stark ähneln, wurde angenommen, daß die Theorie der gelernten Hiflosigkeit möglicherweise die Entstehung von Depressionen beim Menschen erklären könne. In der Folgezeit versuchten Seligman und Mitarbeiter deshalb Belege für ihre Annahme zu finden. Zahlreiche Befunde stützten zwar ihre Vermutung, führten aber auch zu einer wichtigen Revision der Theorie.

    Die erste Fassung der Theorie besagte, daß sich gelernte Hilfslosigkeit nur bei tatsächlichen Erfahrungen mit Kontrollverlust entwickelt. Tatsächlich zeigen aber auch Personen, die nur glauben, daß sie in Situationen keine Kontrolle über negative Bedingungen gehabt hatten, Symptome der erlernten Hilflosigkeit. Es ist anscheinend nur notwendig, daß Personen einen Kontrollverlust wahrnehmen. Daher wurde die Theorie so revidiert, daß nur die Überzeugung, man hätte keine Kontrolle über die möglichen Konsequenzen von Situationen, schon zur erlernten Hilflosigkeit führt.

    Die revidierte Theorie besteht aus folgenden Hypothesen:

    1. Jemand nimmt scheinbar nicht-kontrollierbare Situationen wahr.
    2. Er entwickelt die Überzeugung, daß solche Situationen nicht kontrollierbar sind.
    3. Er führt die mangelnde Kontrollierbarkeit auf zeitlich stabile Eigenschaften der eigenen Person zurück und verallgemeinert seine Überzeugung auf alle Situationen (internale, stabile und gloable Attribution), so daß die eigene Fähigkeit, irgendeine Situation positiv beeinflussen zu können, verneint wird.

    Über 100 Studien stützen bislang diese Theorie.

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    Kognitive Theorie von Beck

    Der Mediziner und Psychotherapeut Aaron T. Beck nimmt an, daß bei depressiven Menschen negative Gedanken über sich selbst, ihre Umwelt und die Zukunft vorherrschend sind, welche die Depression auslösen und aufrechterhalten. Die Basis sollen dysfunktionale Grundüberzeugungen sein, die Beck auf Erfahrungen und die Familienbeziehungen in der Kindheit zurückführt. Diese Grundüberzeugungen beinhalten die feste Auffassung, daß der eigene Selbstwert von der Meinung und Wertschätzung durch andere Menschen abhängig ist. Sie lassen sich in Sätzen wie “Ich muß von jedem geliebt werden”, „Mein allgemeiner Wert hängt von jeder Aufgabe ab, die ich ausführe” und „Wenn ich versage, werden sich andere von mir abgestoßen fühlen“ zusammenfassen. Nach Beck können diese negativen Grundüberzeugungen jahrelang vorhanden sein, ohne negative Auswirkungen zu haben, wenn das Leben ohne größere Probleme und Enttäuschungen verläuft. Werden sie jedoch durch schwierige Lebenssituationen übermäßig aktiviert, können sie starke negative Konsequenzen für das Verhalten und Erleben des Betroffenen haben, die sich in einer Depression bemerkbar machen können.

    Wenn die negativen Grundüberzeugungen Verhalten und Erleben bestimmen, zeigt sich dies nach Beck häufig in der sogenannten Kognitiven Triade. Die Betroffenen

    • interpretieren ihre eigenen Erfahrungen überwiegend als Belastungen und Hindernisse,
    • sehen sich selbst als unfähig, wertlos und nutzlos an
    • erwarten von der Zukunft vorwiegend Schlechtes.

    Nach Beck treten bei depressive Menschen, deren Verhalten und Erleben vor allem durch die negativen Grundüberzeugungen und die Kognitive Triade gekennzeichnet sind, automatisch negative Gedanken auf, die eine Reihe von logischen Fehlern enthalten. Die Gedanken der Betroffenen sind derartig durch die negativen Grundüberzeugungen und die kognitive Triade bestimmt, daß alle Erlebnisse als Beweis für deren Richtigkeit bewertet werden. Es entstehen ununterbrochene Gedankenketten, durch welche die Depressiven immer wieder an die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage und ihre angebliche Unzulänglichkeit erinnert werden. Charakteristisch sind nach Beck folgende 6 Denkfehler:

    1. Willkürliches Schlußfolgern: Die Person zieht negative Schlüsse aus nicht ausreichendem oder widerlegtem Material.
    2. Selektive Abstraktion: Die Person konzentriert sich auf negative Einzelheiten einer Situation und ignoriert den größeren Zusammenhang.
    3. Übergeneralisierung: Die Person wendet eine allgemeine Regel oder Schlußfolgerung aufgrund von wenigen und unzusammenhängenden Erlebnissen ohne Ausnahme auf alle Situationen an, gleichgültig, ob sie ähnlich oder unähnlich sind.
    4. Maximierung und Minimierung: Die Person überschätzt oder unterschätzt die Bedeutung von Ereignissen, v.a. so, daß eine negative Schlußfolgerung entsteht.
    5. Personalisierung: Die Person führt Ereignisse v.a. auf ihr Handeln zurück, auch wenn es dafür keine ausreichenden Belege gibt.
    6. Verabsolutiertes, dichotomes Denken: Die Person gruppiert alle Erlebnisse in zwei extreme und sich ausschließenden Kategorien.

    Durch zahlreiche empirische Untersuchungen und klinische Fallbeschreibungen ließ sich die Kognitive Theorie von Beck bestätigen. Es ist jedoch nicht erwiesen, daß die negativen Grundüberzeugungen die Ursache bzw. der Kern der Störung sind. Die Studien lassen offen, ob nicht ein grundlegendes emotionales Problem zu den negativen Gedanken führt, die dann Stimmung, Motivation, Verhalten und Physiologie noch weiter belasten.

    Die Becksche Theorie ist Grundlage der Kognitiven Verhaltenstherapie der Depression.

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    Biologische Theorien

    Biologische Theorien konzentrieren sich auf die genetische Verursachung von depressiven Störung sowie auf die Möglichkeit einer Stoffwechselstörung im Gehirn.

    Für die Ansicht, daß depressive Störung genetisch bedingt sind, lassen sich Befunde aus Familienuntersuchungen und Zwillingsstudien heranziehen. Familienuntersuchungen zeigen, daß 20% der Verwandten von depressiven Patienten ebenfalls depressiv sind, während es bei Nichtdepressiven nur 5-10% sind. Zwillingsstudien zeigten, daß bei eineiigen Zwillingen die Häufigkeit, daß beide Zwillinge depressiv sind, 33% bis 92% beträgt, während es bei zweieiigen Zwillingen nur 0% bis 23% sind.

    Hinsichtlich der Stoffwechselvorgänge im Gehirn findet man bei Depressiven Veränderungen mehrerer Neurotransmitter-Systeme. Es ist allerdings unklar, welche der gefundenen Veränderungen ursächlich mit Depression zusammenhängen und welche Veränderungen Folgen der Depression darstellen. Betroffen sind folgende Systeme:

    • Noradrenalin,
    • Serotonin,
    • Dopamin,
    • Acetylcholin,
    • Gammaaminobuttersäure (GABA),
    • second-messenger-Systeme.

    Man vermutet z.B., daß die Gehirne von Depressiven eine zu geringe noradrenerge und / oder serotonerge Aktivität aufgrund von zu geringer Noradrenalin- und / oder Serotonin-Konzentration aufweisen. Es ist allerdings möglich, daß die Rezeptoren für die beiden Transmitter eine veränderte Bindungsfähigkeit aufweisen, so daß die Transmitter den synaptischen Spalt zu schnell verlassen und deshalb dort in geringerer Konzentration anzutreffen sind. Insbesondere verändert eine Dauermedikation von Antidepressiva die Bindungsfähigkeit der noradrenergen Beta-Rezeptoren: In Tierversuchen konnte nachgewiesen, daß Antidepressiva nach einer gewissen Zeit zu einer Verringerung der Bindungsfähigkeit der Beta-Rezeptoren führen (Beta-Down-Regulation). Der Zeitraum, bis dies eintritt, entspricht in etwa dem Zeitraum, bis Antidepressiva ihren psychotherapeutischen Effekt entfalten. Daher nahm man an, daß eine Überempfindlichkeit der Beta-Rezeptoren ein bedeutender Faktor bei der Entstehung der Depression ist. Die empirischen Befunde, die diese Hypothese stützen, beruhen jedoch v.a. auf Tierversuchen. In Humanstudien ergaben sich stattdessen widersprüchliche Befunde. Es wird diskutiert, ob die Beta-Down-Regulation nur ein Nebeneffekt der Erhöhung der Noradrenalin-Konzentration im synaptischen Spalt ist und keine Bedingungsfaktor bei der Entstehung von Depression.

    Bei Depressiven findet man außerdem einen zu hohen Cortisolspiegel, der in Zusammenhang mit einem chronisch gestörten Streßregulationssystem gesehen wird. Gesunde Menschen reagieren auf Streßsituationen mit einer aktivierenden Hormonausschüttung (CRF), die nach einiger Zeit durch eine hemmende Hormonausschüttung (Cortisol) wieder heruntergefahren wird. Wenn jedoch die Aktivierung des Körpers durch CRF nicht in Verhalten umgesetzt werden kann, kommt es zu einem Überschießen des CRF-Systems (CRF overdrive). Die Folge ist ein weiterer Anstieg des Cortisols, auf den der Körper dadurch reagiert, daß die Cortisol (Glucocorticoid-)rezeptoren unempfindlicher werden. Es kommt zu einer Enthemmung im zentralen Nervensystems und - nach diesem Modell - zu einer Depression. Zur dieser Depressionsentwicklung können frühkindliche Streßsituationen beitragen, in deren Verlauf es zu einer chronischen erhöhten CRF- und zu einer chronisch erniedrigten Glucocorticoidrezeptorenaktivität kommt. Einige Hinweise sprechen dafür, daß Eltern ihren Kindern diese Dysregulation durch eine unangemessene Interaktion übertragen können. 

    Als unwahrscheinlich gilt jedoch, daß nur ein gestörtes System für Depression verantwortlich ist. Außerdem ist es unwahrscheinlich, daß die gleichen Störungen im Gehirnstoffwechsel für alle Depressionen gleichermaßen verantwortlich sind. Stattdessen ist es wahrscheinlicher, daß unterschiedliche Störungen im Stoffwechsel unterschiedliche Formen von Depression verursachen.

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