| In der mittleren Phase seines wissenschaftlichen Schaffens, zu der die Veröffentlichung von “Principles of Behavior” gehört, ging Hull dazu über, seine Verhaltenstheorie stärker zu formalisieren. In
Postulat 4 dieses Buches schrieb Hull:“Immer wenn eine effektorische Aktivität (r -> R) und eine rezeptorische Aktivität (S -> s) in enger zeitlicher Nähe (SCR) stehen und diese SCR eng mit der Reduktion eines Bedürfnisses (G) oder eines Reizes assoziiert ist, der eng und konsistent mit der Reduktion eines Bedürfnisses (G) assoziiert ist, dann erfolgt ein Anstieg in der Tendenz ( D
SHR), daß dieser afferente Impuls bei späteren Anlässen diese Reaktion erzeugt. Die Anstiege aufeinanderfolgender Verstärkungen summieren sich auf eine Weise, die eine kombinierte Habitstärke (SHR) ergeben, die eine einfache positive Wachstumsfunktion der Anzahl der Verstärkungen (N) darstellt” (Hull, 1943, S. 178; Übersetzung durch Oliver Walter). Für Hull ist Lernen ein Anstieg in der Habitstärke, die
direkt als einfache positive Wachstumsfunktion der Anzahl Verstärkungen formalisiert werden kann. Als Verstärkung bezeichnet Hull die Reduktion eines Bedürfnisses, sei es appetitiv oder aversiv. Hier ist erkennbar, daß Hulls Verhaltenstheorie eine Triebreduktionstheorie
ist, denn Lernen kommt für Hull allein durch Abnahme eines physiologischen Bedürfnisses zustande. Im Gegensatz zum Lernen ist Verhalten nicht allein eine Funktion der Verstärkungen und damit der Habitstärke, sondern steht in Zusammenhang mit dem effektiven Reaktionspotentials: SER = f (SHR) x f (D) Diese einfache Fassung der Hullschen Verhaltensformel besagt, daß das effektive Reaktionspotential
SER gleich dem Produkt einer Funktion der Habitstärke SHR mit einer Funktion des allgemeinen Antriebs D ist. Postulat 7 aus “Principles of Behavior” besagt:“Jede effektive Habitstärke (SHR) wird durch alle primären Antriebe innerhalb
eines Organismus zu einer bestimmten Zeit in ein Reaktionspotential (SER) umgewandelt, wobei die Größe dieses Potentials ein Produkt aus der Wachstumsfunktion von SHR und der Wachstumsfunktion aus D ist” (Hull, 1943, S. 253; Übersetzung von Oliver Walter).
Der allgemeine Antrieb D stellt in der Hullschen Theorie eine unspezifische Zusammenfassung aller in einem Moment wirksamen energetisierenden Faktoren dar, die
letztendlich auf physiologische Bedürfnisse zurückgeführt werden. D wird deshalb als unspezifisch aufgefaßt, weil seine Größe zwar die Intensität des effektiven Reaktionspotentials (mit-)bestimmt, jedoch nicht die Art des Verhaltens determiniert. Art und Richtung des Verhaltens werden demgegenüber von der effektiven Habitstärke
(SHR) determiniert, die die Summe aller erregenden Reiz-Reaktions-Assoziationen abzüglich der hemmenden erfaßt. Hull postuliert also zwei notwendige Bedingungen für Verhalten: - Assoziationen zwischen Reizen und Reaktionen (konzeptualisiert als Habitstärke)
- Triebenergie (konzeptualisiert als Drive).
Falls einer der beiden Faktoren nicht vorhanden ist, wird das Reaktionspotential Null, gleichgültig, wie stark der andere Faktor vorhanden ist.
Genau dies besagt die oben dargestellte Verhaltensformel. |