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Burrhus Frederic Skinner wurde am 20. März 1904 als Sohn eines Rechtsanwalts in Susquehanna, Pennsylvania geboren. Dort wuchs er zusammen mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder auf, der aber 1922 mit 16 Jahren an einem Aneurysma starb. Skinner entwickelte bereits in seiner Jugend eine Vorliebe für mechanische Apparaturen, von denen er einige selbst erfand und zusammenbaute. In der High School zeigte sich jedoch auch ein starkes Interesse
für die Literatur, so daß er 1922 ein Studium der Anglistik und romanischen Sprachen am Hamilton College aufnahm. Während dieser Zeit konnte er Kontakte zu einigen Autoren knüpfen, so z.B. zu Robert Frost, dem er 1925 in der Bread Loaf School of English in Vermont begegnete. Nach seiner Graduierung in Hamilton im Jahr 1926 versuchte Skinner, eine literarische Karriere zu beginnen. Dazu zog er sich zu seinen Eltern, die mittlerweile in Scranton lebten, zurück, um zu schreiben. Das Jahr 1927
bezeichnete Skinner später als sein “Dark Year”, weil es ihm nicht gelang, Themen für sich zu entdecken, über die er schreiben konnte. Er gab schließlich seine Schriftstellerambitionen auf, zog für eine Weile nach Greenwich Village nach New York City und besuchte zudem Europa. Da er sich seit 1926 mit dem behavioristischen Ansatz in der Psychologie beschäftigt hatte und ihn dieser mehr und mehr in den Bann zog, entschloß er sich, 1928 ein Psychologie-Studium an der Universität Harvard zu
beginnen. Dort traf er auf seinen späteren langjährigen Freund und Weggefährten Fred Simmons Keller, der ihn bei der Entwicklung seiner behavioristischen Auffassungen unterstützte. Ausgehend von seinen Beobachtungen zu Nahrungsaufnahme, Trieb und Reflexstärke in der von ihm entwickelten Experimentalkammer schrieb Skinner 1930 seine Dissertation. Diese war jedoch außerordentlich weitreichend in ihren Konsequenzen für die Verhaltenswissenschaft, so daß Edward Boring, einer der Professoren, der
dem Begutachtungsgremium für Skinners Dissertation angehörte, sie zuerst nicht annehmen wollte. Boring zog sich allerdings später aus diesem Gremium zurück und Skinner erhielt seinen Ph.D. Ab 1930/31 erhielt Skinner die Möglichkeit, weiter in Harvard zu forschen, weil er für 1931-33 Forschungsgelder aus einem National Research Council Fellowship und ab 1933 aus einem Harvard Junior Fellowship erhielt. Zu dieser Zeit hatte Boring seine Abneigung gegenüber Skinners Arbeit abgelegt und
unterstützte sie. Weitere Unterstützung erhielt er von dem Physiologen William Croizer, dessen Kurse er in Harvard belegt hatte. Dennoch war Skinner wissenschaftlich isoliert, denn sein Ansatz und auch der Anspruch, mit dem er ihn vertrat, standen im Widerspruch zu dem damaligen behavioristischen Mainstream. Das Jahr 1936 brachte weitreichende Veränderungen in Skinners Lebens. Zum einen heiratete er Yvonne Blue, eine Englischstudentin, zum anderen lief sein Fellowship aus. Da er
wissenschaftlich isoliert war und ihm der Ruf eines unbequemen Genies vorauseilte, fand er zunächst keine Stelle. Doch aufgrund der Fürsprache von Boring bot ihm der Direktor des psychologischen Instituts der University of Minnesota, Richard M. Elliott, eine Lehrtätigkeit an seiner Universität an. Obwohl Skinner keinerlei Erfahrung als Hochschullehrer hatte, nahm er diese Stelle im Jahr 1937 an. In Minnesota zählten Norman Guttman und William K. Estes zu seinen Studenten, die er aus anderen
Fächern abwerben und für die Verhaltenswissenschaft gewinnen konnte. Zudem entwickelte er erste Vorstellungen, wie er seinen Ansatz auch auf die menschliche Sprache anwenden konnte. 1938 erschien eines von Skinners Hauptwerken “The Behavior of Organism”, in dem er die wichtigsten Elemente operanten Verhaltens beschrieb. Es erhielt v.a. schlechte Kritiken, u.a. weil die mangelnde Anbindung von Skinners Arbeit an die bisherige Forschungstradition vermißt wurde und weil der Titel des
Buches zu weitgehend sei: Der Titel wecke Erwartungen bzgl. des Verhaltens aller Organismen und nicht nur der wenigen weißen Laborratten, mit denen Skinner experimentiert hatte. Von anderen Forscher erhielt Skinner dagegen positive Anerkennung, so z.B. von Edward Tolman, der das Buch als eine intellektuelle Anregung beschrieb, die er lange nicht mehr erhalten hatte. Während des Krieges arbeitete Skinner eine Zeitlang für ein militärisches Projekt (Project Pigeon), in dem die Anwendung der
Skinnerschen Erkenntnisse bei der Steuerung von Lenkwaffen durch Tauben erprobt werden sollte. Das Militär stellte diese Forschungen allerdings später ohne Begründung ein - trotz guter Erfolge. 1945 ging Skinner an die Universität von Indiana in Bloomington, um die Leitung des Instituts für Psychologie zu übernehmen. Dort entwickelte er einen Apparat, in dem sich kleine Kinder unter optimalen Umweltbedingungen wie angenehmer Temperatur und frischer Luft aufhalten können sollten. Diese “air
crib” war Skinners Versuch, das Aufwachsen von Kindern mit Hilfe eines mechanischen Geräts zu erleichtern. Skinner versuchte, die “air crib” kommerziell produzieren und vermarkten zu lassen. Trotz einiges Interesses in der Öffentlichkeit (es erschien z.B. ein Artikel in einer Frauenzeitschrift) scheiterte dieses Projekt an seinen Agenten. Nichtsdestowenigertrotz nutzten die Skinners die “air crib” über 2 Jahre für ihre Tochter Deborah. Ein ähnlicher wirtschaftlicher Fehlschlag wie die “air
crib” war der Versuch, die von Skinner entwickelten Maschinen für den Programmierten Unterricht (Lehrmaschinen), eine Anwendung der Operanten Konditionierung auf den Bildungsbereich, zu vermarkten. Allerdings gelang es Skinner in Indiana endgültig seine wissenschaftlichen Isolation zu beenden, da er eine Reihe von Kollegen für sich gewinnen konnte. Dies resultierte u.a. in der 1. Konferenz für die Experimentelle Analyse des Verhaltens in Bloomington im Jahr 1946. In Indiana begann Skinner
außerdem an einem Roman zu schreiben, in dem er die Umsetzung seiner verhaltenswissenschaftlichen Erkenntnisse in ein optimistisches gesellschaftliches und wirtschaftliches Modell beschrieb. Der Roman erschien unter dem Namen “Walden Two” im Jahr 1948, demselben Jahr, indem George Orwell seine düstere Zukunftsperspektive “1984” veröffentlichte. Das Jahr 1948 war außerdem durch Skinners Rückkehr an die Harvard Universität gekennzeichnet. In Harvard nahm Skinner 1948 den A.
Edgar Pierce Lehrstuhl für Psychologie an und gründete das berühmte “Pigeon Laboratory”, in dem für 50 Jahre wegweisende Untersuchungen zum operanten Verhalten durchgeführt werden sollten. Skinner scharte eine Reihe seiner später bedeutenden Schüler um sich, so Charles B. Ferster, der die Organisation des Labors übernahm und es vergrößerte. Dadurch gewann es gegenüber mehreren Studenten an Anziehungskraft, so daß die Schülerschaft Skinners wuchs. Zu den bedeutendsten Schülern zählten: Richard
J. Herrnstein, Nate Azrin, A. Charles Catania, Thomas Lohr, William H. Morse, George S. Reynolds.In den 50er Jahren wuchs die Bedeutung des radikalen Behaviorismus, den Skinner begründete hatte, enorm und er entwickelte sich zu der führenden Richtung in der US-amerikanischen Psychologie und damit der Welt. Skinners bedeutende Arbeiten “Are Theories of Learning Necessary?” (1950), sein Lehrbuch “Science
and Human Behavior” (1953) und “Schedules of Reinforcement” (1957), das er zusammen mit Charles B. Ferster schrieb und in dem genaue Beschreibungen der Effekte von Verstärkungsplänen auf das Verhalten der Versuchstiere zu finden sind, erschienen. 1957 veröffentlichte Skinner zudem das Buch “Verbal Behavior”, in dem er eine Theorie verbalen Verhaltens auf der Grundlage der operanten Konditionierung vorschlug. Der in diesem Buch niedergelegte Ansatz wurde von dem damals jungen
Linguisten Noam Chomsky in seiner berühmt gewordenen Rezension äußerst heftig kritisiert. Zusammen mit Entwicklungen auf dem Gebiet der Computerwissenschaften Mitte bis Ende der 50er Jahre markiert diese Kritik den Beginn des aufstrebenden Kognitivismus, der den Behaviorismus schließlich als führendes Paradigma ablösen sollte.
In dieser Zeit formierten sich die Skinnerianer auch organisatorisch stärker: 1958 gründeten sie ihre Zeitschrift “Journal of the Experimental Analysis of Behavior”, 1964 entstand Divison 25 “The Experimental Analysis of Behavior” innerhalb der American Psychological Association, 1968 die Zeitschrift “Journal of Applied Behavior Analysis”, in der Artikel zu angewandten Fragen der Verhaltensanalyse veröffentlicht werden. Skinner selbst zog sich seit den 60er Jahren mehr und mehr aus der
Grundlagenforschung zurück und widmete sich in erster Linie Anwendungsfragen, so den Möglichkeiten der Verbesserung des Unterrichts durch die Anwendung operanter Techniken. Auch seine gesellschaftspolitischen Ansichten rückten in den Vordergrund, nachdem sie zur Zeit der Veröffentlichung von “Walden Two”
nur einen geringen Niederschlag gefunden hatten. Eine landesweite gesellschaftliche Kontroverse um Skinners Ansichten über die Möglichkeiten des Einsatzes der Verhaltenskontrolle zur Lösung globaler Probleme wie Überbevölkerung und Umweltverschmutzung entbrannte v.a. durch die Veröffentlichung des Buches “Beyond Freedom and Dignity” (1971). In dieser Kontroverse traten viele Mißverständnisse bzgl. des Skinnerschen Ansatzes zutage, von denen sich einige bereits in Chomskys Rezension
von “Verbal Behavior”
gefunden hatten, so z.B. die Meinung, die experimentelle Verhaltensanalyse stelle eine S-R-Theorie dar, die menschliches Verhalten auf Klassische Konditionierung reduzieren wolle und angeborenes Verhalten sowie die Existenz von Gedanken und Gefühlen leugne. Unter dem Eindruck dieser fehlgeleiteten Diskussion war Skinner bemüht, dieser Kritik an seinem Behaviorismus in Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, Fernsehsendungen und schließlich in dem 1974 erschienenen Buch “About Behaviorism
” entgegen zu treten. Im gleichen Jahr, in dem “About Behaviorism” erschien, wurde Skinner als A. Edgar Pierce Professor emeritiert. Seine Nachfolge trat Richard Herrnstein an. Dennoch besuchte Skinner noch für viele Jahre täglich sein Büro in Harvard und schrieb auch weiterhin Artikel für Fachzeitschriten und verfaßte Bücher, so seine 3teilige Autobiographie (“Particulars of My Life”, 1976; “The Shaping of a Behaviorist”, 1979; “A Matter of Consequences”, 1983) und
“Enjoy Old Age”
(1983), einen Ratgeber für ein zufriedenes und erfülltes Lebensalter. Die zunehmende Bedeutung und Dominanz des Kognitivismus sowie die größer werdenden globalen Probleme erfüllten ihn am Ende seines Lebens mit einem stärker werdenden Pessimismus, in den sich auch Resignation mischte. Dennoch blieb Skinner bis zu seinem Tod an Leukämie am 18. August 1990 ein überzeugter Behaviorist, der immer wieder seine Kritik gegenüber mentalistischen und kognitiven Ansichten äußerte, so auf dem letzten Kongreß der American Psychological Association, den er trotz seiner Krankheit besuchte und auf dem er eine kurze Ansprache hielt. Kurz vor seinem Tod hatte er die Auszeichnung “Outstanding Lifetime Contributions to Psychology” von der APA erhalten.
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